WAK.AG-Diskurs.Schiedsverfahren.2008-Sonderparteitag

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Schlichtungs- und Schiedsverfahren zur Nichteinberufung eines Sonderparteitags im Frühjahr 2008

Mehr zum Hintergrund der Auseinandersetzungen siehe WAK.Forum-Archiv

Schlichtungsverfahren vor der SK

  • Antragsteller: Juliane Nagel, Thomas Netzer, Ingo Gröpler-Röser, Jochen Beißert
  • Antragsgegner: Stadtverband Leipzig der Partei DIE LINKE, vertreten durch den Stadtvorsitzenden Volker Külow
  • Antragsdatum: 15.05.2008

Antrag

Der Stadtvorstand des Stadtverbandes Leipzig der Partei DIE LINKE. wird verpflichtet, unter Einhaltung der Ladungsfristen und sonstigen Formvorschriften unverzüglich eine außerordentliche Tagung des Stadtparteitages einzuberufen.

Hilfsweise wird beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Verlangen von einem Viertel der Delegierten auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung des Stadtparteitages keinen vom Stadtvorstand zu entscheidenden Antrag bildet.
2. Es wird festgestellt, dass es für ein wirksames Verlangen von einem Viertel der Delegierten auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung des Stadtparteitages keiner Vorlage einer Tagesordnung oder eines Finanzplanes bedarf.
3. Es wird festgestellt, dass es für ein wirksames Verlangen von einem Viertel der Delegierten auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung des Stadtparteitages keines Vorliegens eines Sachantrages zu dieser Tagung bedarf.

Anlagen:

  • Unterschriftensammlung für Sonderparteitag (Listen)
  • Übergabe Unterschriften
  • Umgang mit den Listen nach Übergabe
  • Ablehnung auf Sitzung Stadtvorstand
  • Bescheid vom 15.04.2008

Aus der Begründung:

a) Maßgeblich ist, ob die Unterschriften im Zeitpunkt der Abgabe ihrer Erklärung ... gültig waren, das heißt, ob es sich bei den das Verlangen Unterzeichnenden um stimmberechtigte Delegierte des Stadtparteitages handelte.

b) Die vorgelegten Unterschriftenlisten stellen eine Urkunde dar. Sie enthalten die Aussage, dass die darauf verzeichneten Delegiertenunterschriften das Verlangen der Einberufung einer außerordentlichen Tagung im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung enthalten.

Die nachträgliche Streichung sowie Hinzufügung von Bemerkungen verändert diesen Erklärungswert. ... Zivilrechtlich sind Willenserklärungen nur in äußerst engen Grenzen anfechtbar (z. B. bei arglistiger Täuschung oder Drohung) oder widerrufbar (z.B. bei Haustürgeschäften). Dafür ist nichts vorgetragen. Unter welchen Umständen und aus welchen Gründen bzw. Motiven heraus Delegierte möglicherweise die Rücknahme bzw. den Widerruf erklärten, ist für die Antragsteller ebenso wenig transparent wie der Umstand, weshalb die Listen aus den Händen des Vorsitzenden vor Prüfung an Dritte gelangen konnten.

c) Jedenfalls hat der Stadtverband, vertreten durch den Vorsitzenden, eine unverzügliche Prüfung der Unterschriften unterlassen, wie dies etwa bei Bürgerbehren durch Gesetz verlangt wird. Vielmehr war es offenkundig möglich, dass sich nach Listenübergabe noch Personen „austragen“ konnten, d.h. ihnen vor Listenprüfung Zugriff gewährt wurde.

2. Die vom Stadtvorstand vertretene und mit Schreiben vom 15.04.2008 vorgetragene Rechtsansicht, es handele sich bei dem Begehren der Delegierten um einen Antrag an den Stadtvorstand, über den dieser zu entscheiden habe, ist satzungswidrig. Der Stadtvorstand hat bei Vorliegen der notwendigen Unterschriften ohne Entscheidungsspielraum eine außerordentliche Tagung einzuberufen, Ziffer IV., Absatz 5 der Satzung des Stadtverbandes.

In dieser Regelung wird ausdrücklich von einem „Verlangen“ der Delegierten gesprochen und gerade nicht von einem „Antrag“. ...

3. Die vom Stadtvorstand zudem vertretene Auffassung, die das Verlangen vortragenden Delegierten hätten eine Tagesordnung sowie einen Finanzplan vorlegen müssen, ist satzungswidrig. ...

Behandlung durch die SK am 18.06.2008

Im Bericht wird festgestellt:

Zu 1. haben wir festgestellt, dass die Unterschriftslisten einer juristischen Prüfung nicht standhalten ... Auf den Unterschriftslisten gestrichene Namen wurden nicht mit Signum und Datum versehen. Zwei Unterzeichner haben ihr Geburtsdatum anstelle des Datums der Unterzeichnung angegeben. Zwei Namen sind doppelt aufgeführt.

... ist nicht festzustellen, ob das in der Satzung des Stadtverbands geforderte Quorum erreicht wurde ... Die Kommission vertitt die Auffassung, dass es nicht der Vorlage einer Tagesordnung und eines Finanzplans bedarf.

Die Kommission ist der Meinung, dass auf den beiden durchgeführten Stadtforen keine Mehrheit für eine Neuwahl des Stadtvorstandes zu erkennen war.

Aus den genannten Gründen empfiehlt die Kommission den Antragstellern, das Verfahren fallen zu lassen. Anderenfalls steht euch die Möglichkeit offen, die LSK anzurufen.

Aus dem Schreiben des Verfahrensführers der Antragsteller J. Beißert vom 30.06.2008

Nach meinem – sicher nicht nur laienhaften – Verständnis über Schlichtungsverfahren gehe ich davon aus, dass sich eine Schlichtungskommission um eine gütliche Einigung zwischen den Streitparteien bemüht.

Dazu gehört es in einem ersten Schritt, dass allen Beteiligten ausreichend rechtliches Gehör verschafft wird. Ob und wie sich etwa die Gegenseite im vorliegenden Verfahren geäußert hat oder dazu überhaupt Gelegenheit erhielt, geht aus Eurem Schreiben nicht hervor.

Sodann müsste die Schlichtungskommission die streitbefangenen Fragestellungen herausarbeiten. Diese ergeben sich aus dem Antragsbegehren und einer Replik hierauf. In Eurem Schreiben wird jedoch auf zwei der hilfsweise gestellten Anträge nicht eingegangen. Ein Einigungsvorschlag lässt sich nur dann gewinnen, wenn man die Parteien zu einem „Gütetermin“ lädt. In einem solchen Termin können die Parteien erörtern, was für und gegen ihre Auffassungen spricht, welche Intention sie verfolgen und welches vergleichsweise Ergebnis sie sich vorstellen.

Weiter wird des SK eine Frist bis zum 14.07.2008 eingeräumt, ein Güteverfahren ordnungsgemäß einzuleiten.


Schiedsverfahren vor der LSK

Antrag

Es wird festgestellt, dass die Ablehnung der Einberufung einer außerordentlichen Tagung auf am 25.03.2008 erfolgten Verlangen von einem Viertel der Delegierten des Stadtparteitages durch den Stadtvorstand des Stadtverbandes Leipzig der Partei DIE LINKE. rechtswidrig war.

Hilfsweise wird beantragt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Verlangen von einem Viertel der Delegierten auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung des Stadtparteitages keinen vom Stadtvorstand zu entscheidenden Antrag bildet.
  2. Es wird festgestellt, dass es für ein wirksames Verlangen von einem Viertel der Delegierten auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung des Stadtparteitages keiner Vorlage einer Tagesordnung oder eines Finanzplanes bedarf.
  3. Es wird festgestellt, dass für die Prüfung der notwendigen gültigen Anzahl der Delegiertenunterschriften es auf den Zeitpunkt der Übergabe an den/die VertreterIn des Stadtverbandes ankommt und spätere Anfechtungen und Rücktritte von der Unterstützungserklärung unwirksam sind.
  4. Es wird festgestellt, dass es für ein wirksames Verlangen von einem Viertel der Delegierten auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung des Stadtparteitages keines Vorliegens eines Sachantrages zu dieser Tagung bedarf.



Entscheidung der Landesschiedskommission vom 27.11.2008

http://groups.google.de/group/leipziger-linke/msg/c3b2304a178d3b14

... Viel wichtiger erschien es doch, dass die Landesschiedskommission offenbar ziemlich erbost war über den Umgang mit den Delegierten/InitiatorInnen. Es wurden die Forderungen des Stadtvorstandes (TO, Finanzplan...) sowie die Vorgehensweise nach Unterschriftenübergabe (jeder darf Streichen wie er lustig ist) scharf kritisiert. Vielmehr habe der Stadtvorstand die InitiatorInnen zu unterstützen, auch wenn man anderer Auffassung sei. Daher wurde unseren sämtlichen weiteren Anträgen gefolgt, nämlich:

  1. Es wird festgestellt, dass das Verlangen von einem Viertel der Delegierten auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung des Stadtparteitages keinen vom Stadtvorstand zu entscheidenden Antrag bildet.
  2. Es wird festgestellt, dass es für ein wirksames Verlangen von einem Viertel der Delegierten auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung des Stadtparteitages keiner Vorlage einer Tagesordnung oder eines Finanzplanes bedarf.
  3. Es wird festgestellt, dass für die Prüfung der notwendigen gültigen Anzahl der Delegiertenunterschriften es auf den Zeitpunkt der Übergabe an den/die VertreterIn des Stadtverbandes ankommt und spätere Anfechtungen und Rücktritte von der Unterstützungserklärung unwirksam sind.
  4. Es wird festgestellt, dass es für ein wirksames Verlangen von einem Viertel der Delegierten auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung

des Stadtparteitages keines Vorliegens eines Sachantrages zu dieser Tagung bedarf.

An der mündlichen Verhandlung nahmen entgegen der Ankündigung weder Sören noch Volker teil. Einzig Gerhard Lauter vertrat die Antragsgegner. Er versuchte zwar, die nachträglichen Streichungen noch zu rechtfertigen. Doch erntete er dafür deutliche Worte der Landesschiedskommission, dass bspw. bei Volksbegehren die Unterschriften durch den Landtagspräsidenten sogar unter Verschluss zu nehmen sind. Ein Streichen oder Hinzufügen sei dann nicht mehr möglich. Nichts anderes könne hier gelten. Auch der von Gerhard Lauter gepflegte Einwand, es müssten für eine Neuwahl des Stadtvorstandes auch neue Delegierte gewählt werden, fand keinen Anklang. Vielmehr wurde darauf verwiesen, dass Delegierte sich auch anders entscheiden könnten, wenn eine neue Situation eine alte Wahl in Frage stelle. Gerhard Lauter zeigte sich einsichtig und sagte zu,

  • dass er für eine Darstellung des Ergebnisses des Schiedsverfahrens im Mitteilungsblatt sorgen wolle,
  • dass der Stadtvorstand (mglw. auf seinen Antrag hin) sich noch einmal politisch damit auseinandersetzen solle, dass lediglich eine Unterschrift fehlte und man bei einem solchen Quorum nicht zur Tagesordnung übergehen könne; auch der Dialog mit den InitiatorInnen solle noch einmal gesucht werden.

Insgesamt dürfte nun Klarheit im Hinblick auf das Verfahren herrschen. Als Gast war Beate Ehms anwesend, die nach Schluss der Verhandlung noch einmal scharf das Vorgehen des Stadtvorstandes kritisierte.

Jochen Beißert, 28.11.2008