Steinert.2020-03-05

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Zur Attac DTS 3 am 09.03.2020 - Digitaler Humanismus

Das Manifest „DH“ ist eine respektable Sammlung von „müssen“ und „sollen“ wogegen es nichts einzuwenden gibt. Wobei dem Punkt Bildung, und zwar von der ersten Klasse bis zum Uni-Abschluss, aus meiner Sicht eine besondere Bedeutung zukommt. Denn wer sollte jene genannten vielen „müssen“ und „sollen“ in die Praxis umsetzen? Deshalb auch meine Unterstreichung gerade dieses Punktes, weil in unserer Gesellschaft es ja (m.E.) nur sekundär um humane Erziehung und Bildung geht. Denn Menschen werden inzwischen ja weltweit primär zunächst dafür konditioniert, um „wettbewerbsfähig“ für den globalen Verteilungskampf wie auch als Manövriermasse des Konsumismus und der Unterhaltungsindustrie zu sein. Erst dann, falls da noch Platz ist – und vielfach ist da schon aus reinen Zeitgründen gar kein Platz mehr - geht’s um Humanismus, egal ob analog oder digital. Digitalisierung bringt hier bloß nochmal einen neuen Quantensprung in gleicher Sache.

Um diese (absichtlich etwas radikal formulierte) Aussage ein wenig (auch ein bisschen rüpelhaft) zu untersetzen: Was bei uns ganz vornehm als „Wettbewerbs- und Leistungsgesellschaft“ benannt wird, ist in Wirklichkeit brutalster, menschenverachtender Konkurrenzkampf, bei den der Stärkere den Schwächeren über den Tisch ziehen muss oder, falls ihm das nicht gelingt, er selbst über den Tisch gezogen wird. „Besser, stärker, schneller als ...“ – Gewinner oder Verlierer, Profit oder Insolvenz sind die Leitplanken innerhalb derer sich im „friedlichen Wettbewerb“ der Humanismus seine Nischen mühsam erkämpfen und bewahren muss. Stärker als je zuvor geht es jedoch global um Geld, Ressourcen und Macht. Dabei läuft alles nach durch Menschen gemachten Regeln ab. Wobei diese Regeln, zusammen mit einfachster Mathematik, nicht nur ungleiche Verteilung, sondern deren weltweit immer größere Spreizung garantieren. Die Digitalisierung beschleunigt und vertieft diesen Vorgang nur noch.

Wobei damit die Leistungen des Kapitals, Abermillionen von Menschen in der Welt den Schritt von „elend“ zu arm und von arm zu „Mittelschicht“ ermöglichte, nicht negiert werden soll. Allein das wäre schon Grund genug, den Kapitalismus nicht per se zu verdammen. Doch geht es hier um jene Spitze der Pyramide, die direkt oder indirekt, die Regeln bestimmt. Da hat nicht nur Humanismus, sondern auch Demokratie zunehmend schlechte Karten.

Deshalb ergibt sich die Frage, wer denn die Regeln ändern sollte, um diese ganzen „Wünsche und Forderungen“ des Manifestes umzusetzen? Und wie sollte das funktionieren bei dieser og. grundsätzlichen Konditionierung der Menschen. Da kommt mir mein sonstiger Optimismus tatsächlich etwas abhanden und ich habe zu den „Tools“ dafür (W. Schallehn) gewiss noch Informationsbedarf.

Denn für die Neujustierung der wirklichen „Supermacht Kapital“ und damit für grundsätzliche Regeländerungen scheinen mir für Europäer die Logenplätze in der globalen „Steuerungszentrale“ schon vergeben. Da wurde wohl die „Kreuzung“ (Ende Manifest) schon verpasst? Wenn mit „irgendetwas“ Geld zu verdienen oder ein Vorteil zu gewinnen ist, dann wird es gemacht. Punkt! Die weltweit wirklich Mächtigen werden ehrenwerte Bestrebungen wie im „Manifest“ DH zwar verbal wohlwollend begleiten (Das macht sich immer gut, vielleicht dafür sogar spenden!) aber ansonsten ... weitermachen mit dem Festzurren und Ausweiten ihrer Machtstrukturen, sowie dem „Anleinen“ von Staaten, Regierungen und Organisationen. Geld kann nicht anders.

Falls doch – und das ist trotzdem auch meine Hoffnung – müsste „Unerhörtes“ passieren. Ein „Etwas“, das dabei leicht ins Utopische abgleiten könnte und sich nicht mit billigster Kapitalismuskritik erschöpfen dürfte.

Aber immerhin, den so plötzlichen Zusammenbruch des Ostblocks hatte sich auch kaum jemand vorstellen können. Allerdings, damit die menschliche Evolution vielleicht doch noch die Kurve kriegt, wäre ein ungleich größerer Quantensprung vonnöten, als jener von vor dreißig Jahren.

Spannend ist es auf alle Fälle.

Manfred Steinert, 05.03.020