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Die Leipziger V-Mann-Affäre

Vorbemerkung

Geheimdienst-Affären haben es an sich, dass vieles an ihnen aktuell im Nebel bleibt, weder Beweise noch Gegenbeweise erbracht werden (können) - und schon gar nicht der Beweis, dass an einer Sache "nichts dran" sei. Das Folgende kann also allein der Versuch sein, eine plausible Geschichte zu erzählen, auch wenn wir versuchen, uns weitgehend an die Fakten zu halten, die Stück für Stück auf den Tisch kommen. Diese Fakten sind aber nicht mehr als Puzzlestücke in einem großen Rätsel - und die Geschichte der Versuch, das Puzzle auf eine für uns stringente Weise zusammenzusetzen. Wir wollen dem Leser/der Leserin diese unsere Lesart nicht aufdrängen, sondern sie/ihn allein ermutigen, die eigenen grauen Zellen zu gebrauchen.

Auftakt

Die Affäre beginnt mit einer von Sören Pellmann, Pressesprecher DIE LINKE.Leipzig, verbreiteten Pressemitteilung des Stadtvorstands vom 24.07.2008

... Im Rahmen einer geschlossenen Sitzung sah sich der Stadtvorstand der Leipziger LINKEN am Dienstagabend auf der Basis uns zugegangener Informationen allerdings zwingend veranlasst, ein vor drei Jahren aus dem Westen nach Leipzig gekommenes Parteimitglied schriftlich mit dem konkret begründeten Verdacht zu konfrontieren, seit mehreren Jahren mutmaßlich als V-Mann für den Verfassungsschutz zu arbeiten. Unsere Aufforderung an den Betreffenden zu einer zeitnahen Erklärung schloss weitere Verdachtsmomente der Täuschung mit ein, darunter das unberechtigte Führen des Doktortitels sowie das Tragen eines falschen Namens.

Die eigentümliche Reaktion des entsprechenden Parteimitgliedes, der zwar unverzüglich seinen Austritt aus dem Leipziger Stadtverband erklärte, aber die konkreten Vorhaltungen nur mit juristischen Spitzfindigkeiten und Ausflüchten statt mit Sachargumenten beantwortete, wird vom Stadtvorstand als Bestätigung des Verdachts bewertet. Bevor von interessierter Seite dieser Fall möglicherweise gegen den Leipziger Stadtverband der LINKEN instrumentalisiert werden kann, machen wir ihn auf diesem Wege öffentlich. Wir verbinden dieses hohe Maß an Transparenz mit der Aufforderung an das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz und namentlich seinen Präsidenten Reinhard Boos, unverzüglich alle V-Leute aus den Reihen der Leipziger bzw. sächsischen Linkspartei zurückzuziehen. Ein Nachspiel im Landtag wird die Angelegenheit für uns auf alle Fälle haben.

Der erste Akt

Die lokale Presse berichtet darauf

  • "Wie der Stadtvorstand der Partei am Donnerstag mitteilte, gibt es einen konkret begründeten Verdacht, ..." (LVZ 25.07.2008)
  • "Der mutmaßliche V-Mann habe danach sofort seinen Parteiaustritt erklärt" (LVZ-online)
  • "Gestern habe der Mann dann seinen Austritt aus dem Stadtverband erklärt und sei seither nicht mehr erreichbar" (LVZ Druckausgabe, 25.07. S. 15)
  • Der Beschuldigte - der LVZ-Redaktion offensichtlich bekannt und für sie in Kontaktreichweite - weist die Vorwürfe zurück (LVZ 26.07.2008)

Im Detail: (Quelle, LVZ, 25.07.2008)

Linke lässt mutmaßlichen Spitzel auffliegen

Der Verfassungsschutz hat die Leipziger Linke offenbar über Jahre ausspionieren lassen. Wie die Partei gestern mitteilte, gibt es einen konkreten Verdacht, dass ein vor drei Jahren aus Westdeutschland nach Leipzig gezogenes Parteimitglied als Verbindungsmann für den Inlandsgeheimdienst arbeitet. „Ein Nachspiel im Landtag wird die Angelegenheit für uns auf alle Fälle haben“, kündigte der Sprecher des Stadtverbandes der Linken, Sören Pellmann, an. „Leider begnügt sich der Inlandsgeheimdienst nicht nur mit der Beobachtung unserer Partei, sondern war augenscheinlich insbesondere im Parteineubildungsprozess bestrebt, die Linke mit V-Leuten zu infiltrieren.“

Bei dem Betreffenden handele es sich „um kein Vorstandsmitglied, sondern um ein ganz normales Parteimitglied“, so Pellmann. Den Tipp soll die Partei am Montag von einem Kreisverband in Nordrhein-Westfalen bekommen haben. Dort sei der Mann zu Zeiten, als die Linke noch PDS hieß, angemeldet gewesen. Welche Qualität die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz hatte und welche Informationen aus der Partei an den Geheimdienst weitergeleitet wurden, sagte Pellmann nicht.

Nach Bekanntwerden der Spitzelvorwürfe trat am Dienstagabend der Stadtvorstand zusammen. „Wir haben Fragen an den Betreffenden erarbeitet, die allerdings unbeantwortet blieben.“ Auf die konkreten Vorwürfe habe er mit „juristischen Spitzfindigkeiten und Ausflüchten statt mit Sachargumenten“ reagiert. „Wir bekamen von ihm den Hinweis, dass wir besser alle Unterlagen vernichten“, erklärte Pellmann gegenüber der LVZ. Gestern habe der Mann dann seinen Austritt aus dem Stadtverband erklärt und sei seither nicht mehr erreichbar. Wie Pellmann weiter mitteilte, habe der mutmaßliche V-Mann sowohl einen falschen Namen als auch einen falschen Doktortitel getragen.

Die Linke forderte das Landesamt für Verfassungsschutz auf, „unverzüglich alle V-Leute aus den Reihen der Leipziger beziehungsweise sächsischen Linkspartei zurückzuziehen“. Der sächsische Verfassungsschutz beobachtet seit Jahren die Partei unter Verweis auf deren teilweise kommunistische Ausprägung. K. S.


Die Entwicklungen werden auf der Liste 'leipziger-linke' ausführlich diskutiert. Im Detail siehe insbesondere den Thread http://groups.google.de/group/leipziger-linke/browse_thread/thread/7f59ef8a20cb6a1d

Der zweite Akt

Am und nach dem Wochenende beginnen hektische Aktivitäten, da die ganze Geschichte beginnt, den Initiator/inn/en aus den Händen zu gleiten.


Erklärung vom 28.07.2008

Liebe Genossinnen und Genossen des Stadtverbandes,

da es zu unserer Presseerklärung vom vergangenen Donnerstag „Leipziger LINKE enttarnt mutmaßlichen V-Mann des Verfassungsschutzes“ einige Nachfragen gab, möchte ich Euch unter Beachtung datenschutzrechtlicher Regelungen über den Ablauf des Geschehens in der letzten Woche etwas näher informieren.

Am Montag, den 21. Juli 2008, erhielt ich eine persönliche Mail von einem Kreisvorsitzenden der LINKEN aus den alten Bundesländern mit mehreren brisanten Informationen über ein ehemaliges Mitglied seines Kreisverbandes, das nach dem Umzug in den Osten inzwischen in unserem Stadtverband aktiv ist. Nach Erhalt der Mail telefonierte ich mit dem Absender ausführlich, um mir die diversen Vorwürfe im Detail erläutern zu lassen.

Im Rahmen der Stadtvorstandssitzung am Dienstag, den 22. Juli 2008, beantragte ich am Ende eine geschlossene Sitzung, um den Mitgliedern des Stadtvorstandes diese Mail vorzulesen. Da es sich um sehr gravierende Vorwürfe handelte, beschloss der Stadtvorstand, dass ich mich unverzüglich mit einem Fragenkatalog an den besagten Genossen mit der Aufforderung wenden sollte, auf die im Raum stehenden Vorwürfe zeitnah schriftlich einzugehen und sie möglichst zu widerlegen.

Im Einzelnen handelte es sich kurz gefasst um folgende Themenkreise:

  • Stimmt der Hinweis, dass er uns nicht unter seinem richtigen Namen bekannt ist?
  • Stimmt der Hinweis, dass er unberechtigt den Doktortitel führt und dafür rechtskräftig verurteilt wurde?
  • Stimmt der Hinweis, früher in rechtsextremen Organisationen tätig gewesen zu sein und diese Tätigkeit später in der seinerzeitigen PDS mit einer „Anbindung“ an den Verfassungsschutz selbst erklärt zu haben?
  • Stimmt der Hinweis, dass er vor seiner Tätigkeit in der WASG bereits in der PDS politisch aktiv war?

Am Mittwoch, den 23. Juli 2008, erhielt ich einerseits eine Mail, in der sich der besagte Genosse ohne Begründung aus unserem Stadtverband abmeldete. In der anderen Mail wurde mit keinem Wort auf einer der besagten Vorwürfe eingegangen; stattdessen wurde ein juristisches Kauderwelsch bemüht, um der Leipziger LINKEN alle Aktivitäten zu untersagen, die im Raum stehenden Vorwürfe weiter aufzuklären. Nach dieser brüskierenden Art und Weise des Umgangs mit dem Stadtvorstand sahen wir uns zu der o.g. Presseerklärung veranlasst.

Dieser Fall sollte in unserem Stadtverband keinesfalls zu einer Verdachtshysterie führen, uns aber dafür sensibilisieren, bestimmte Vorgänge mit der gebotenen Aufmerksamkeit zu registrieren bzw. darauf zu reagieren.


Dr. Volker Külow Vorsitzender DIE LINKE.Leipzig


Unter taz.de wird ebenfalls am 28.07.2008 vom Dresdener Korrespondenten Michael Bartsch bereits weitgehend unverhohlen der Name und das ganze Sepktrum der Vorwürfe genannt: (Quelle: http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/der-james-bond-von-leipzig)

"Im Vertrauen der Genossen und Genossinnen untereinander", schloss Maximilian M. seinen jüngsten Rundbrief, in dem er sich über die Aufstellung der Linke-Liste zur Landtagswahl 2009 in Sachsen beschwert. Doch Vertrauen gibt es zwischen M. und den Genossen längst nicht mehr. Der Stadtverband der Linken in Leipzig stellte ihn in der vergangenen Woche zur Rede. Der Vorwurf: M. soll für den Verfassungsschutz arbeiten.

Der Bescholtene will zwar "nie für solche Dienste tätig gewesen sein". Beweise gibt es ebenfalls keine. Doch für den Stadtvorsitzenden und linken Landtagsabgeordneten Volker Külow erhärteten die Ausflüchte M.s und dessen sofortiger Austritt aus dem Stadtverband und seine Unerreichbarkeit danach aber den Verdacht. Zuvor hatten westdeutsche Genossen aus Arnsberg im Hochsauerland Külow auf die seit längerem bestehenden Verdachtsmomente gegen Maximilian M. aufmerksam gemacht.
Demnach soll es sich bei M. um eine schillernde Persönlichkeit handeln. Er gründete 2004 in Arnsberg das "Sozialforum - Bündnis für soziale Gerechtigkeit" mit, avancierte zu dessen Sprecher und organisierte Demonstrationen gegen Hartz IV. Eine erste Rolle gab er bei der kleinen PDS des Kreises Arnsberg. Zuvor war er von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft der CDU zum linken Sozialforum gewechselt. Maximilian M. ist wegen Führens eines falschen Doktortitels rechtskräftig verurteilt worden, wie die Staatsanwaltschaft in Arnsberg bestätigt.

Für die größte Verunsicherung sorgt jedoch seine zeitweilige Nähe zur rechtsextremen Szene, die M. auch einräumt. Er sei im Auftrag des Verfassungsschutzes dort eingedrungen, begründet er später diesen Ausflug. Die Zusammenarbeit sei jedoch längst beendet. M. hat anscheinend keine Probleme, im Jahre 2005 umso radikaler die Seiten zu wechseln und das Bundesland gleich mit.

In Leipzig taucht er bei der Deutschen Kommunistischen Partei DKP wieder auf, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Er verfasst Presseerklärungen und berichtet in der regionalen DKP-Zeitung Lichtblick unter anderem über eine Veranstaltung mit dem Honecker-Nachfolger Egon Krenz, der über die "vorläufige Niederlage des Sozialismus in der DDR" räsoniert.

Sein Titel als "Dr. phil" ist plötzlich wieder da. Mit der DKP aber überwirft er sich. Die Gründungsphase der WASG kommt 2006 gerade rechtzeitig, um sich ihr anzuschließen. So landet M. bei der vereinigten Linken, und auch hier gleich an exponierter Stellte. Er ist Mitglied des Landesrates und in Leipzig Sprecher der Gruppe Arbeit und Soziale Gerechtigkeit. Aber gerade als solcher erregt er wiederum Verdacht. Mit der Forderung nach 150 Euro Weihnachtsgeld für Arbeitslosengeldempfänger spaltet er im November 2007 den Stadtverband, dessen Vorstand sich nach dem Austritt von vier Mitgliedern erst in diesem Frühjahr wieder konsolidiert.

Sowohl Genossen der Linken als auch Journalisten fiel M. durch seine zahlreichen unverlangt versandten Kommentare zu Partei- und Sozialproblemen auf. "Ein Hochstapler und Wanderer", heißt es im Stadtverband Leipzig, "der gut als Allzweckwaffe des Verfassungsschutzes taugen könnte." Der Leipziger Stadtverband forderte das Landesamt auf, alle Spitzel umgehend zurückzuziehen. Dort hält man sich bedeckt und äußert sich nicht "zu operativen Vorgängen". Die Landtagsfraktion der Linken kündigte mehrere Anfragen an die Landesregierung an.