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Aktuelle Version vom 20. Januar 2010, 17:52 Uhr
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Entscheidungsschlachten sind der Weg in den Abgrund
Stellungnahme der Emanzipatorischen Linken zum Konflikt in der Führungsspitze der Bundespartei
Die Situation in der Bundespartei könnte besser sein. Seit den Bundestagswahlen ist DIE LINKE nicht groß mit politischen Initiativen präsent, sondern im Wesentlichen mit innerparteilichen Machtkonflikten. Unmittelbar nach der Wahl ist die Partei in eine Auseinandersetzung gestürzt, die sie in einen Zustand der Lähmung zu bringen droht und deren Konsequenzen kaum absehbar sind. Dass es dabei um mehr ging als um die Besetzung der Position des Bundesgeschäftsführers, dürfte deutlich sein.
Manche werden glauben wollen, mit der Erklärung von Dietmar Bartsch, im Mai nicht mehr als Bundesgeschäftsführer kandidieren zu wollen, wäre Klarheit geschaffen. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Der Konflikt und die Art, wie er geführt wurde, hat viele Fragen aufgeworfen, die sich Menschen, die Hoffnungen und Sympathien in unsere Partei setzen, stellen. Was passiert eigentlich in einer Partei, wo plötzlich mehr von Loyalität geredet wird als von Solidarität? Muss man sich in der Partei entscheiden, ob man eine Funktion ausübt oder eine Meinung äußert? Wird die Programmdebatte ein Verständigungs- und Entwicklungsprozess, oder steht uns ein erneuter Versuch bevor, darüber die Grenzziehung der Partei zu definieren? Wird Kooperation oder Klarheit der neue Leitbegriff in der innerparteilichen Organisationskultur? Diesen Fragen werden wir uns stellen müssen.
Die Partei muss den Konflikt der letzten Monate in einer Weise aufarbeiten, die ihre Strukturen und ihr Selbstverständnis nicht beschädigt. Dafür wäre es unseres Erachtens hilfreich, sich auf bestimmte Grundsätze zu besinnen:
1. In der Partei wird nach Regeln gespielt -- nach satzungsrechtlichen Regeln, arbeitsrechtlichen Regeln und den Regeln des solidarischen Umgangs miteinander.
Dazu gehört, dass jede Forderung nach personellen Konsequenzen klar und überprüfbar begründet wird. In der Auseinandersetzung um Dietmar Bartsch scheint uns das nicht erfüllt. Der Vorwurf der Indiskretion, mit dem die Auseinandersetzung begann, bleibt bis heute nebulös; die angeblich an die Presse gegebenen Informationen waren dieser entweder schon lange bekannt oder zirkulierten in einem wesentlich größeren Kreis. Schon nach kurzer Zeit wurde die Forderung nach dem Rücktritt des Bundesgeschäftsführers nicht mehr auf den ursprünglichen Vorwurf gestützt, sondern auf die eingetretene Zerrüttung (ein Vorgang, der bei arbeitsrechtlichen Angriffen üblich ist), oder ganz offen auf inhaltliche Positionen. Wenn wir so vorgehen, kann jeder jederzeit aus jeder Position gekippt werden.
2. Inhaltliche Konflikte in der Partei müssen politisch ausgetragen und von den zuständigen Organen entschieden werden,
im Wesentlichen vom Parteitag. Wir kommen in eine höchst problematische Dynamik, wenn wir akzeptieren, dass inhaltliche Auseinandersetzungen durch personalpolitische Entscheidungen ersetzt werden.
3. Dass Positionen von der Partei durch Wahl besetzt werden, darf keine Formsache sein.
Dieses Recht der Partei, verkörpert im Recht des Parteitags, darf nicht geschwächt werden. Das gilt gerade auch dann, wenn sich in den Personalentscheidungen der Partei inhaltliche Differenzen ausdrücken. Die Idee, nun auch den Bundesvorstand per Findungskommission nicht mehr den "Zufällen" der Parteitagsentscheidung zu überlassen, ist die ebenso logische wie fatale Konsequenz der Personaldebatte der letzten Monate und macht deutlich, dass die Gefahr einer Entdemokratisierung sehr real werden kann.
4. Das faktische Vorschlagsrecht des Parteivorsitzes für die Position des Bundesgeschäftsführers, wie es als Ergebnis der Auseinandersetzung nun im Raum steht, stellt eine Sozialdemokratisierung der Organisationsstruktur der Partei dar, die nicht einfach im engsten Führungszirkel beschlossen werden kann.
Eine derart weitreichende Entscheidung kann nicht von wenigen Personen unter sich ausgemacht werden, sondern ist Sache der Partei. Wir haben große Vorbehalte gegen eine derartige Stärkung der Machtbefugnisse des Parteivorsitzes. Jede Minderheitenposition in der Partei wird sich in Zukunft warm anziehen müssen, wenn die strategische Führungsposition (der Vorsitz) gleichzeitig den unumschränkten Zugriff auf die Leitung des Parteiapparats (die Geschäftsführung) hat.
5. Dass die Auseinandersetzung gezielt als ein West-Ost-Konflikt inszeniert wurde, der dann auch damit endet, dass sich "der Westen" oder "der Osten" durchsetzt, ist ein massiver Rückschlag für das Zusammenwachsen der Partei.
Kein West-Landesverband würde die Koalitionsvereinbarung von Brandenburg unterzeichnen, so wie kein Ost-Landesverband das Wahlprogramm von NRW verabschieden würde -- so viel ist wahr. Dies spiegelt aber auch die unterschiedliche gesamtpolitische Situation, in der sich die Partei in ihren verschiedenen Landesverbänden befindet. Vereinigungs- und Verständigungsprozesse sind weiterhin notwendig. Das Inszenieren von Entscheidungsschlachten auf machtpolitischer Ebene kann solche Prozesse dagegen nur blockieren.
6. Auch die gezielte Überzeichnung der Abhängigkeit der Zukunft der Partei von einzelnen Personen stellt einen Rückschlag dar.
Ohne die überaus bedeutende Rolle von Einzelnen für die Entwicklung der Partei gering schätzen zu wollen, müssen wir auch feststellen, dass viele der aktuellen Stellungnahmen in eine Richtung gehen, die gerade von parteiungebundenen Linken in West und Ost schlicht als Form des Personenkults oder als eine Art Lemmingkultur empfunden wird. Wenn wir nicht gemeinsam deutlich machen, dass wir eine Amerikanisierung der Parteistruktur ablehnen, wo die Basis eher die Rolle von "volunteers" annimmt, wird das Wachstum der Partei schnell seine Grenze erreichen.
Wir maßen uns nicht an, zu wissen, was zwischen den betreffenden Personen "wirklich" passiert ist. Darum geht es auch nicht. Wir machen uns Sorgen darum, dass die Auseinandersetzung der letzten Monate stärker auf die zukünftige Gestalt der Partei wirken kann, als eine Programmdebatte, die noch gar nicht begonnen hat. Was und wer unsere Partei sein will, muss von ihr selbst entschieden werden. Dafür sind jetzt das gemeinsame Bekenntnis zur Pluralität der Partei und zu einer kooperativen Organisationskultur vordringlich. Die Partei befindet sich in einer Krise. Sie hat nur eine Zukunft, wenn auf jeder Ebene profilierte Personen, die sich in vielen Dingen nicht grün sind, bereit sind sich zusammen zu raufen und einander auszuhalten. Wir erwarten von der Führungsspitze der Bundespartei, dass sie entsprechende Signale setzt.
SprecherInnen der Ema.Li:
Julia Bonk, Sachsen Christoph Spehr, Bremen
Google-Server stehen wohl doch in den USA und "können" halt kein deutsch ;-).