WAK.2007-03-13

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Sozialismus im 21. Jahrhundert. Zwölf Essays über die Zukunft
mit dem Autor Dr. Erhard Crome, Berlin
Buchvorstellung und Diskussion, Moderation: Prof. Dr. Wolfgang Geier
Veranstaltung der RLS Sachsen
13. März 2007, 18 Uhr, Harkortstraße 10

Ankündigung

Erhard Crome, bekannt als Analytiker des internationalen Zeitgeschehens, zieht eine nüchterne Bilanz aus den Entwicklungen des 20. Jahrhunderts ebenso wie aus der zuvor nicht gekannten Offensive eines aller sozialer Verantwortung entkleideten Kapitalismus. Scheinbar gibt es keine Alternative. Doch dieses Denken blamiert sich immer mehr. Viele, die dachten, das Thema Sozialismus sei weltgeschichtlich erledigt, beginnen zu ahnen: Die Geschichte ist voller List. Sozialismus steht wieder auf der Tagesordnung, als Lösung für die Probleme, mit denen die Mühseligen und Beladenen heute zu ringen haben. Es wird eine andere Welt geben, eine, die Freiheit und ein auskömmliches Dasein, Solidarität und Selbstbestimmung, Brüderlichkeit und ein gutes Leben zusammen und gleichzeitig möglich macht. Dies ist keine Anleitung zur Durchführung der nächsten Weltrevolution. Dieses Buch soll eher eine Anregung zum Nachdenken sein. Wer die jetzige Welt für die beste aller möglichen Welten hält, sollte es sofort weglegen.

Erhard Crome: Sozialismus im 21. Jahrhundert. Zwölf Essays über die Zukunft. Reihe: Texte/ Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 17. Karl Dietz Verlag 2006. 247 S. ISBN 3-320-02057-9

Bericht

"Sozialismus im 21. Jahrhundert" - ein ambitionierter Titel für Buch und Vortrag; entsprechend gut besucht war die Veranstaltung, von deren zweiter Stunde ich hier nur berichten kann. 18 Uhr ist doch eine sehr frühe Anfangszeit für im Arbeitsleben stehende Besucher. Gleichwohl hoffe ich, die Defizite durch die Einbeziehung des Buchs (Crome 2006) wett zu machen.

In dieser zweiten Stunde der Diskussion (und vermutlich auch in der ersten) wurde allerdings weniger darüber gesprochen, was "Sozialismus im 21. Jahrhundert" sein als vielmehr, was er nicht sein kann. Das vorsichtige (oder unvorsichtige) eigene Plädoyer dafür, dass gesellschaftlicher Fortschritt, Innovationsfähigkeit und die Möglichkeit zu eigenverantwortlicher Initiative eng beieinander liegen, nahm der Referent jedenfalls auf meine Frage hin, ob denn damit unternehmerisches Handeln ein Grundbaustein seiner Sozialismus-Vorstellungen sei, weitgehend zurück. Dazu unten mehr.

Dass für Erhard Crome "Sozialismus im 21. Jahrhundert" eng mit dem Wort "Demokratie" verbunden ist, wird Leser von (Crome 2006) kaum überraschen. Daraus leitet sich ein deutliches Plädoyer gegen "Sozialismus aus dem Rechner" a la (Dieterich 2006) ab, das bereits einmal eigenständiges Thema von WAK-Leipzig war und an dem Abend von mehreren Diskussionsrednern vertieft wurde. Die Erfahrungen mit unternehmerischen Elementen im Rahmen der NÖS-Experimente in der DDR der 60er Jahre, auf die Roland Wötzel noch einmal eindringlich hinwies, kommen allerdings nicht nur in diesen Argumentationen für einen "Computer-Sozialismus" (Peters 2000) zu kurz. Eine Antwort auf die Frage, ob nicht auch Demokratie in Gängelei und Bevormundung ausarten und wie solchen Entwicklungen - gerade unter dem Aspekt der Sicherung von Innovations- und Fortschrittsfähigkeit - entgegengewirkt werden kann, blieb der Referent selbst auf die diskrete Nachfrage des Moderators hin schuldig. Nicht wirklich überraschend, denn arg knapp (8 von über 200 Seiten) fällt auch der Abschnitt "Wie geht Fortschritt?" in (Crome 2006) aus.

Der Aufruf des Referenten, besonders in der ökonomischen Theorie eines "Sozialismus im 21. Jahrhundert" zu originären Marxschen Argumentationen zurückzukehren, etwa auch die zivilisatorischen Leistungen des Kapitalismus zu würdigen (Crome 2006, etwa S. 193 ff. mit Bezug auf das komm. Manifest) und wichtige neuere Beiträge wie etwa von Peter Ruben zu berücksichtigen, kann allerdings nur ein müdes Abwinken hervorrufen. Weniger, weil er damit nicht recht hätte, als vielmehr mit Blick auf die hochgradige Selektivität, die er zu diesem Thema selbst an den Tag legt. So, als ob es weder eine "neue Marx-Lektüre" mit langer Tradition gibt, wie jüngst in vier Veranstaltungen im Rahmen des WAK:Netzwerks mit interessierten Leipzigern diskutiert, noch dass längst viel fundamentaler auf Marx zurückgegriffen wird wie etwa in (Moglen 2003). Selbst der Bezug auf Ruben bleibt vage und nimmt, obwohl Crome immer wieder (Ruben 1998) zitiert, eher dessen Unterscheidung zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft auf als Rubens Grund dafür - dessen weiterführenden ökonomischen Überlegungen zum Thema Vertragsfähigkeit und unternehmerischer Initiative ebenda. "Warum ist die ökonomisch souveräne Person (und sie ist souverän als Vertragspartner (! - HGG) sowohl anderer Personen als auch gegebener (! - HGG) Gemeinschaften) für eine Volkswirtschaft so wesentlich?" (Ruben 1998, zitiert in Crome 2006, S. 153). Ja, warum?

Hans-Gert Gräbe, 14.3.2007

Verweise

  • (Crome 2006) Erhard Crome: Sozialismus im 21. Jahrhundert. Zwölf Essays über die Zukunft. Texte der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, Bd. 17. Karl Dietz Verlag Berlin.
  • (Dieterich 2006) Heinz Dieterich: Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts - Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie nach dem globalen Kapitalismus. Kai-Homilius-Verlag, Berlin.
  • (Peters 2000) Arno Peters, Konrad Zuse: Computer-Sozialismus - Gespräche mit Konrad Zuse. Verlag Neues Leben.
  • (Ruben 1998) Peter Ruben: Was bleibt von Marx' ökonomischer Theorie? In: Die ökonomische Theorie von Marx - was bleibt? Reflexionen nach dem Ende des europäischen Kommunismus. Hg. v. C. Warnke u. G. Huber. Marburg, Metropolis-Verlag. S. 13 - 66.