WAK.AG-Diskurs.VP-20090322

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Rede von Veronika Petzold, Kreisparteitag DIE LINKE. NW-Sachsen, 22.3.2009

ehem. gf. Landesvorstandsmitglied DIE LINKE. Sachsen, Mitglied des Vorstandes DIE LINKE. NW-Sachsen

Liebe Genossinnen und Genossen, Liebe Gäste,

Für alle, die mich nicht kennen.

Mein Name ist Veronika Petzold und ich komme aus den Reihen der vormaligen WASG. Bis Dezember 2008 war ich Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstandes der Partei die Linke.Sachsen.

Ich bin in den letzten Wochen und auch am Rande dieser Veranstaltung mehrfach gebeten worden, etwas näher auf meinen Rücktritt als geschäftsführender Landesvorstand einzugehen und das will ich gerne tun.

Die Vereinigungsgeschichte kennt Ihr ja dann und ich will nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass Dank einiger KollegInnen aus der WASG der Laden so gut wie in Bremen auch in Sachsen lief. Die sächsische WASG war selbst im Vergleich zur West-WASG recht mitgliederstark und wohl strukturiert, mit Kreisverbänden in neun Kreis- und Großstädten in Sachsen und mit einem gut handlungsfähigen Landesvorstand. Sechs Parteitage mit inhaltlich schwerwiegenden Leitanträgen hatten wir vorzuweisen, etwa 250 sehr aktive Mitglieder, so aktiv, wie die Gremien der PDS.

Nachdem wir uns 2007 vereinigt hatten, die Strategiekommission in Sachsen von WASG und PDS die Zeit- und inhaltliche Schiene vorgelegt hatte und der Parteitag in Chemnitz endgültig die Weichen gestellt hatte, sollte der Parteineubildungsprozess beginnen.

Nach der Vereinigung erhielten wir, die GenossInnen der vormaligen WASG Neumitgliederanschreiben. Anfangs hielt ich das für eine freundliche Geste. Nach kurzer Zeit habe ich es mit anderen Augen gesehen.

In Leipzig wurde jede Neuerung, jeder Vorschlag abgelehnt, Vom Weihnachtsgeld zum Energiesozialtarif und wieder zurück, mit Reaktionen wie, "was wollt Ihr nur, das machen wir schon immer so. – warum sollen wir das jetzt anders machen..." – ja warum – ich dachte, wir sind eine neue Partei mit einem großen gemeinsamen Ziel...

Im Februar folgte dann der Rücktritt von fünf Stadtvorstandsmitgliedern in Leipzig, darunter, wie Ihr wisst, auch ich.

Und so ging es weiter: die Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit und soziale Gerechtigkeit, die ASG, bestehend aus Mitgliedern der vormaligen WASG wurde beäugt, belächelt und sehr bald regelrecht bekämpft. Die Ausgrenzungsprozesse nahmen ihren Lauf und bereits im Juli 2008 wendete sich der Leipziger Stadtvorstand an die Öffentlichkeit mit einer Pressemitteilung, dass einer unserer Genossen ein V-Mann sei. Bis heute liegen dafür keine Belege vor. Man kann gewiss nicht ignorieren, dass er in den 90er Jahren im rechtsextremen Umfeld tätig war, aber auch ab dem Jahr 2000 für die PDS-Bundesgeschäftsstelle gearbeitet hat.

Da kann man enttäuscht sein, aber man muss auch fragen können, was zu welcher Zeit geschah und wer wann wovon gewusst hat. Weder der Stadtvorstand Leipzig noch der Landesvorstand sehen sich bis heute imstande, die Sache so auf- und zu erklären, dass sie wenigstens glaubhaft klingen würde. Es wird einfach behauptet, das reicht – „die Basis wird schon nicht nachfragen“. So geht das aber nun einmal nicht. Und es geht auch nicht, dass alle Mitglieder der vormaligen WASG unter Generalverdacht gestellt werden – dass selbst im Mitteilungsblatt ein Artikel erscheint - ich zitiere: „im Zuge des Vereinigungsprozesses von WASG und PDS V-Leute eingeschleust wurden.“ Wenn man so eine Behauptung aufstellt, muss man sich darüber im Klaren sein, dass dies sowohl für alle als aber auch für kein Mitglied gelten kann.

Und so kam, was nur kommen konnte – zahlreiche, vor allem engagierten Leipziger WASG-Mitglieder waren so unmöglich gemacht worden und verließen die Partei.

Dass ihnen hinterher die Rück- und Austritte vorgeworfen wurden, ist heuchlerisch – mehr aber auch nicht. Aktionen, diese Leute nach dem doppelten Reinfall wieder zurückzugewinnen, gab es nur auf der theoretischer Ebene. Die Gespräche verliefen im Sande oder wurden gar nicht erst geführt. Also wandte ich mich an Volker Külow, den Verursacher dieser Farce gegen kritische WASG-Mitglieder, und verlangte eine Aufklärung. Anstelle dieser Aufklärung - bekam ich irrwitzige Vorwürfe von einem ehemaligen WASG-Landesvorstandsmitglied; bis hin zu persönlichen Beschimpfungen und Unterstellungen. Der Landesvorstand schwieg und meine politischen Freunde hielten sich gewissenhaft zurück. Danach war mein Maß voll.

Politisch bin ich enttäuscht, weil die Mitglieder der ehemaligen WASG in Sachsen regelrecht aufgerieben wurden, obwohl sie zu jenen im Osten gezählt hatten, die tatkräftig und voller Elan in die neue Linke kamen, wie Ihr auch.

Persönlich bin ich enttäuscht, weil ich als erfahrene Mutter gedacht habe, mich einbringen zu können, weil ich gedacht habe, dass Gerechtigkeit auch bedeutet, EIN Maß anzusetzen bei der Beurteilung von Sachverhalten.

„Was ist nur los in dieser Partei?“, habe ich mich dann gefragt. "Muss ich mich als Genossin oder als Mensch jetzt gegen die eigenen Leute wehren, die ihren privaten Erfolg vor den der Grundfrage stellen?"

Und nicht zuletzt: Habe ich es als gestandene Frau nötig, mir gerade in dieser Partei die patriarchale Praxis einzufangen?

Die Antwort ist „Nein“ – ich bettle nicht um politische Arbeit, sondern sie steht mir zu, wie sie Euch, wie sie uns, wie sie vor allem uns Frauen zusteht. Wenn wir in dieser politischen Praxis schon geschnitten werden und unsere Arbeit verunglimpft wird, weil wir eine eigene Meinung haben und diese auch aussprechen. Oder dürfen wir nur dann reden, wenn wir gefragt sind und es angeordnet wird, dann kann etwas Grundsätzliches nicht stimmen. Ich dachte ehrlich, dass diese neue Partei die Spielregeln, die sie völlig berechtigt erwartet, auch selbst beherrscht.

Falls das nicht so ist, dann sollte sie es schleunigst lernen.

Verlangen kann ich das jetzt nicht mehr aber zu wünschen bleibt es wenigstens.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit

Reaktionen auf die Rede

Ich möchte dir danken für deine Rede und die richtigen Worte. Auch wenn ich nie Mitglied der WASG war, habe ich mich doch sehr schnelle mit der AG ASG verbunden gefühlt. Politisch wie persönlich. Meine Aus- und Rücktrittsgründe waren jedoch keine Enttäuschungen, denn ich bin ohne Erwartungen in die Partei gegangen, vielmehr befiel mich das reine Entsetzen darüber, wie in der Partei agiert wird, und wie intern alles wofür sie in der äußeren Wahrnehmung steht mit Füßen getreten wird: Demokratie, Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit.

Worauf ich zudem sauer bin ist, dass diese Partei usurpatorisch, arrogant einfach das Wort links belegt und es so für progressiven Kräften unmöglich macht, wird diesem Wort doch das Prädikat Verrat anhaften. Nicht der Verrat an ein paar ehemaligen Genossen, sondern der Verrat -um etwas antiquiert zu sprechen- an der Arbeiterklasse.

Florian Krahmer, 23.03.2009


Quelle: http://groups.google.de/group/leipziger-linke/browse_frm/thread/97af5a02d9e6be18#