WAK.MB-Debatte.5-08-SG

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Beitrag aus dem Mitteilungsblatt 5-2008 des Stadtverbands der Linkspartei

Geht Leipzig nun Pleite? oder Was tun?

Es gibt eine Reihe von Menschen, die meinen, dass beim Geld die Freundschaft aufhört und die Jacke näher sei als die Hose. In unserer Partei sind solche Denkweisen zum Glück selten, sind wir doch in den politischen Grundüberzeugungen darüber einig, dass Solidarität ein hohes Gut ist. Insoweit gibt es auch einen Konsens darüber, dass in der Gesellschaft die (finanziell) gut gestellten dazu herangezogen werden müssen, die Lage der Schwächeren zu verbessern. So weit, so gut, aber gilt diese Perspektive auch innerhalb unserer Partei? Oder sollen hier andere Maßstäbe herangezogen werden? Um auf diese Fragen Antworten zu finden, muss ein wenig ausgeholt werden.

In den 90er Jahren wurden verschiedene Prognosen darüber aufgestellt, wie sich die Mitgliederzahl der PDS entwickeln wird. Der angenommene Rückgang in Sachsen fand zwar weniger schnell, aber deutlich spürbar statt. Bei Wahlkämpfen nehmen die Probleme zu, GenossInnen zu finden, die Infostände besetzen, Material verteilen. An Veranstaltungen nehmen immer weniger GenossInnen teil. Die Mitgliedseinnahmen sinken, trotz freiwilliger Beitragserhöhungen. Auch die Gründung der LINKEN hat diese Tendenz nicht gestoppt. Wir haben also ein Problem.

Die sinkenden Mitgliedseinnahmen sind insbesondere für Flächenkreise ein großes Problem. Die fast ausschließlich ehrenamtliche Arbeit muss über große Entfernungen abgesichert werden, die Dichte der Mandatsträgerinnen, Mitarbeiterinnen und die Mitgliederzahlen sind auch nach der Gebietsreform niedriger als in den drei großen Städten. Aber auch für den Landesverband steht das Problem, da sich die sinkenden Einnahmen direkt auf den Landesverband auswirken. Das ist dramatisch, da der Landesverband als Arbeitgeber für alle bei der LINKEN Angestellten fungiert und mit sinkenden Einnahmen und den nötigen Tarifsteigerungen umgehen muss. Diese Situation ist strukturell und nicht durch Misswirtschaft oder sinnlose Ausgaben verursacht ist. Sie ist auch nicht neu, sondern wurde seit Jahren diskutiert. Nicht umsonst sollte einer der Schwerpunkte im Parteireformprozess das Thema Finanzen sein. Leider sah die Mehrheit des Stadtvorstandes die Dringlichkeit dieses Problems 2005 noch nicht.

Verschiedene Lösungsansätze wurden in Sachsen über Jahre intensiv erörtert. Unter anderem die Neuaufteilung der Beitragseinnahmen zu Gunsten des Landesverbandes oder die Verlagerung der Kosten für MitarbeiterInnen an die Kreise, in denen diese tätig sind. Nach langer Diskussion und einer Vertagung durch den Landesparteitag, beschloss im September 2007 das Gremium aus Landesvorstand, Landesrat und Kreisvorsitzenden eine Finanzordnung, die festschreibt, dass Personalkosten dort zu tragen sind, wo die MitarbeiterInnen eingesetzt sind. Das heißt für Leipzig, dass beide Personalstellen (für die Schatzmeisterin und die Geschäftsführerin) vom Stadtverband zu bezahlen sind. Damit steigen im Stadtverband die Personalkosten dramatisch an und machen einen Rückgriff auf unsere Ersparnisse nötig.

Aber auch diese Entscheidung von Landesvorstand, Landesrat und Kreisvorsitzenden war nicht im Ansatz überraschend. Da zu erkennen war, welche Folgen der Beschluss der Finanzordnung haben würde und dass es eine Mehrheit dafür geben würde, hatte ich im Vorfeld zu Gesprächen mit dem Landesschatzmeister, den Mitarbeiterinnen und der stellvertretenden Stadtvorsitzenden eingeladen, um einen gangbaren Kompromiss zu suchen. Beide Mitarbeiterinnen waren sehr kooperativ und bereit, tageweise in anderen Kreisverbänden oder für den Landesverband außerhalb von Leipzig zu arbeiten. Im Gegenzug hätte der Stadtverband eine geringere Summe an den Landesverband überweisen müssen. Diesem Kompromiss zeigte sich auch der Landesschatzmeister aufgeschlossen. Über konkrete Vereinbarungen sollte zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden. Ebenso gab es das Angebot des Kreisvorsitzenden von Torgau/Oschatz, gegen eine Teilübernahme der Kosten tageweise die Unterstützung der Leipziger Mitarbeiterinnen in Anspruch zu nehmen.

Aber: seitdem ist nichts passiert. Als dann der Haushaltsplan 2008 beruhend auf den Regelungen der Finanzordnung an die Vertreter des Landesvorstandes, des Landesrates und die Kreis- und Stadtvorsitzenden ging, der für Leipzig einen Personalkostenanteil von fast 100 Prozent veranschlagte, wurden die Auswirkungen für den SV Leipzig beklagt. Wer ist nun Schuld, der Landesschatzmeister, der sich an die beschlossene Finanzordnung hält? Der Landesvorstand, weil er das zugelassen hat? Landesrat, Landesvorstand und Kreisvorsitzende, weil sie so beschlossen haben? Ganz offen: Wer unter den eben genannten ein schwarzes Schaf suchen will, auf das die Schuld für die jetzige Leipziger Finanzsituation abgewälzt werden kann, wird sich im gesamten Landesverband lächerlich machen und unseren Stadtverband gleich mit.

Mit erheblicher Verspätung sollten wir uns jetzt der Aufgabe widmen, eine für alle tragbare Lösung zu finden. Diese darf nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen oder auf ihrem Rücken ausgetragen werden. Beide Mitarbeiterinnen sollten nicht in die Situation versetzt werden, als Anwalt in eigner Sache verhandeln zu müssen. Die Lösung muss Kündigungen in Leipzig und auch im Landesverband verhindern. Sie muss die politische Arbeit in Leipzig aber auch im Landesverband sichern. Denn ganz klar, Leipzig ist nicht ein „kleines gallisches Dorf“ in feindlicher Umgebung, sondern trägt eine Mitverantwortung für den Landesverband. Wenn wir uns mit nahezu jedem anderen Kreis- bzw. Stadtverband vergleichen, werden wir feststellen: Wir sind die Starken in Sachsen. Daher bedürfen wir einer Konsenslösung, denn im Streitfall wird unser finanziell besser ausgestatteter Stadtverband nur wenig Verständnis von den anderen Kreisen erwarten dürfen. Die Auswirkung auf die Abstimmungen auf Landesebene kann sich jedeR selbst ausrechnen.

Gesprächsbereitschaft wurde sowohl vom Landesschatzmeister als auch von den Kreisvorsitzenden signalisiert, die Beschäftigten sind kompromissbereit. Ein konfrontativer Kurs, dass ist für jedeN zu erkennen, würde auf Kosten der Beschäftigten und des politischen Ansehens des Stadtverbandes gehen. Er birgt keine tragfähige Lösung. Kompromisse sind möglich und mehr denn je nötig, sie müssen nur gesucht werden. Für einen solchen Prozess, der auch innerparteilich Solidarität als leitende Orientierung hat, stehe ich als frühere stellvertretende Stadtvorsitzende und als Mitglied des Landesvorstandes gern zur Verfügung.

Stefanie Götze