WAK.Debatte.2009-09-26-IGR

Aus LeipzigWiki
Version vom 29. September 2009, 21:53 Uhr von HGG (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen

Home Hauptseite / WAK / WAK.Debatte

Doch was, wenn nicht ....

Über die Zerfaserung der Linken in Grüppchen und Individualisten – eine Bilanz aus dem politischen Vakuum und eine Aufforderung zur Wahl der Linken, der SPD und/oder der Grünen.

Von Ingo Groepler-Roeser im September 2009

Die Krise des Neoliberalen

Das Nichtwählen ist eine jener Protestformen, die den aktiven Wählern rechter Parteien entgegenkommt. Bewusster Verdruss, das lesen wir bereits aus der Feder Goethes (... was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“) im Faust ist keine Lösung für ein derart umfassendes Problem, wie es nicht erst seit der Weltfinanzkrise des neuen Jahrtausends bekannt geworden ist. Die Krise, so könnte man angesichts der globalen Erschütterung berechtigt konstatieren, ist so groß und derart gewaltig, dass man sie gar nicht mehr überblicken kann. Anders betrachtet: Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wenn heutzutage die neoliberalen Führungskräfte in den politischen Parteien von der Überwindung der Krise innerhalb eines Jahres sprechen, so meinen sie das, was ihnen gedroht hätte, - und also ihre eigene Krise, eine Krise der machtfähigen Kontrolle folgenschwerer Armut. Ganz unten - da, wo ein Westerwelle, wo Frau Merkel und Herr Steinbrück selbst mit der Lupe und in tief gebückter Haltung ein leichtes Flimmern erkennen, dass ihnen seit 2008 an den Waden juckt, da also, ganz unten, gibt es nichts weiter zu verlieren. Dieser Zustand währt länger, als man oberflächlich zu sehen bereit ist und er ist zyklisch so eingerichtet, dass er neoliberalen Parteien als Kontrollinstrumente marktwirtschaftlicher Instanzen die Fähigkeit eingeräumt hat, kritische Stimmen zu idiotisieren und zu isolieren. Gleichsam gilt es festzuhalten, dass das System lernt und mit der Steigerung technologischer Automatisierungsprozesse (alt für: Internet, Datenverarbeitung, digitale Kommerzialisierung) auch die Automatisierung der Kontrolle einfacher wird und exponentiell wächst. Der sich gerade in den letzten zwei Jahrzehnten dagegen entwickelnde Stream für Transparenz und Austausch einer digitalen Vernetzungsbewegung stellt aus der Sicht der Neoliberalen eine enorme Krise dar. Nicht allein die Ereignisse also selbst (Finanzungleichheit, Nahrungsmittelungleichheit bis hin zu gesundheitspolitischer Ungleichsstellung durch Kassenunterschiede) sind dramatisch, wiewohl ihre zyklisch wirkende Verschlimmerung dem stetigen Umklappen eines Gewässers gleichkommt, sondern vielmehr die weltweite Kenntnis von den Ereignissen und ihren Zusammenhängen mit anderen Ereignissen stellt die eigentliche Bedrohung für Neoliberale dar. Ihnen gelingt es einfach immer seltener, ihr Produkt, den Betrug per se, an den Mann und die Frau zu bringen, indem sie ihn einfach profitabel aussehen lassen („Sie sparen den Betrag X.“).

Ist der Gegenstream vorgetäuscht?

Im Zuge dieser immer erfolgloseren Verballhornung kann es nur logisch sein, dass Gegenkräfte einen Auftrieb bekommen, so diffus ihr Handeln auch erscheinen mag. Die geschichtliche Entwicklung dieser im Ursprung eigentlich als Informationskrise im umgekehrten Sinne zu bezeichnenden und allmählich schnell wachsenden Dauerkrise hin zu einem „pik crisis“, also einer flächendeckenden „Kontamination“ aller Lebensbereiche mit der Wahrheit als dem Gegenmittel zeitigt allerdings eine traurige Tendenz für viele Bürgerrechtler, die sich damit zusammenfassen ließe, dass auch das Gegensystem Lernprozesse durchläuft, von denen man nicht genau weiß, ob sie sowohl den Betrug als auch die Wahrheit einfach ignorieren („Der neue Typus der passiven Politiker“). Die nicht abgesprochene Kampagne verschiedener demokratischer Parteien gegen die Piratenpartei wäre ein treffendes Beispiel für einen neuen Umgang mit der Wahrheit.

Trotz aller Erwägungen, die sich gerade im Zusammenhang mit einer als historisch schwierig zu bezeichnenden Entwicklung der Linken als (nicht ganz neue) Partei im Gefüge einer Bewegung für Gerechtigkeit und Wahrheit, beides evidente Maßstäbe von Freiheitszugewinn, ergeben und ihren Ausdruck in einer immer stärker werden Differenzierung der linken als einer Bewegung „dagegen“ bis hin zu einem „Gegen-sich-selbst“ finden, bleibt es gerade jetzt keine Alternative, entweder nicht oder aus Protest „die anderen“ zu wählen.

Das Ego überwinden

Viele von „uns“, Mitglieder und ehemalige Mitglieder der Linken, die aus der linken SPD oder aus dem Vakuum 2005 über die WASG in DIE LINKE. mit einem Hoffnungspaket eingetreten sind, haben resigniert und sind desillusioniert. Und doch sollten „wir“ uns fragen, wie es bereits nach 2005 gekommen wäre und was 2010 passieren würde, wenn es diese Partei jetzt als PDS im Osten und WASG im Westen gäbe oder gar nicht.

Und wenn ich diesen Gedankengang vollziehe, aus dessen Wirklichkeit ich mich 2008 bereits entfernt habe(*), dann komme ich zu dem Schluss, dass wenigstens das, wenigstens dieses Linke, so machtkonform es uns von Innen erschien, weil es noch keine wirklich neuen Mechanismen der innerparteilichen Freiheit beherrscht (dies wohl aber beharrlich behauptet) den Wind um die Zinnen und Wachtürme schon beträchtlich verändert hat. Gleichsam gilt es, den inneren Machtkonformismus der Parteilinken aufzuweichen, ihn zu verändern und, wie nicht anders im „großen Spiel“ auch, den Kurs gegen den äußeren Ansturm zu halten.

Das kann nur dann passieren, wenn wenigstens einige teilweise systemoppositionelle Institutionen, linke, grüne, sozialdemokratische Individualisten und Gruppierungen die oppositionellen Parteien stärker in den Veränderungsprozess einbeziehen, indem sie sie auf ihre Programmatik auslegungsfrei ebenso beharrlich festnageln.


(*) Der Verfasser ist selbst vor über einem Jahr aus der Partei DIE LINKE. ausgetreten, obwohl er engagiert am Vereinigungsprozess mitgewirkt hat.