Uni.SG.2012-07-01

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Heiner Flassbeck: Zehn Mythen der Krise

Reihe Sonntagsgespräch
01. Juli 2012, 12:00 Uhr, Geschwister-Scholl-Haus, Ritterstraße

Bericht

Flassbeck räumt in den 1.5 Stunden Vortrag und Diskussion mit ein paar Mythen auf, wobei er sich vor allem eines Instruments bedient - des kritisch gebrauchten eigenen Verstands. Auf die Frage des Moderators vorab, wie er es denn mit den in diesem Bereich verbreiteten ideologischen Stereotypen halte, antwortete Flassbeck, dass er ein Thema zunächst logisch durchdrungen haben müsse, um dann über ideologische Momente nachzudenken, und ersteres sei ihm in seinen 60 Lebensjahren im Bereich der Ökonomie noch nicht gelungen, so dass die Befassung mit der Ideologie noch warten müsse.

So waren seine Ausführungen denn auch von logischen Zusammenhängen zwischen verschiedenen Begriffen der Wirtschaft geprägt, die betriebswirtschaftlich Allgemeingut und auch als Merksätze in allen Lehrbüchern zu finden sind - etwa der enge Zusammenhang von Sparen und Schulden auf volkswirtschaftlicher Ebene. Es können die einen nur sparen, wenn andere Schulden machen. Sparen als Versprechen, in Zukunft Leistung beziehen zu können, muss ein gleiches Versprechen entgegenstehen, in Zukunft Leistung in dem erforderlichen Umfang anzubieten. Die Frage ist also, wenn Deutschland spart(e), wer sind die Garanten, die Leistung in 30 Jahren anbieten, wenn die Riester-Renten zu zahlen sind (Flassbeck: Griechenland, allgemein die sich parallel zu den deutschen Überschüssen verschuldende europäische "Peripherie", Frankreich eingeschlossen), und wie muss eine deutsche Wirtschaftspolitik heute aussehen, um jene offensichtlich gefährdete Leistungsfähigkeit zu sichern. Wenn auch diese Länder nun zum Sparen angehalten werden, wer verschuldet sich dann in gleichem Maße?

Flassbeck betonte weiter, dass derartige elementaren logischen Zusammenhänge, welche diese Dynamik wie in kommunizierenden Röhren unmittelbar treiben, von den Wirtschaftsweisen kaum berücksichtigt werden, auf deren Thesen die Regierenden in Europa ihre Politik gründen.

Dass dies nicht nur für den offiziellen, sondern auch den linken Mainstream gilt, wird in der Kontroverse zwischen Flassbeck und Hickel bei nachdenkseiten.de deutlich. Ob Flassbeck an diesem Tag in Leipzig "ketzerisches" Gedankengut vorgetragen hat, wie der Moderator einschätzte, kann nur auf dem Hintergrund der Debatte um die Rolle "linker Religion" beurteilt werden, deren Traditionen Michael Wendl vor einiger Zeit deutlich umrissen hat.

Hans-Gert Gräbe, 1.7.2012