Neue Planungen zum Sozialratschlag

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1. Sozialratschlag in Leipzig

[Motivation und Ziele]

Armut ist in diesem Land schon lange keine Unbekannte mehr. Inmitten der reichen Industriegesellschaften des Westens wächst die Zahl der von Armut Betroffenen: nach dem jüngsten Armuts- und Reichtumsberichtes des Arbeits- und Sozialministeriums ist jeder 8. in Deutschland lebende Mensch von Armut bedroht. In Sachsen ist jedes 4. Kind auf Hartz IV angewiesen. Dabei sind nicht nur Erwerbslose von Armut betroffen. Die Zahl derer, die ihr Gehalt durch Hartz-IV-Leistungen aufstocken oder mehreren Jobs nachgehen müssen, um ihre Existenz zu sichern, wächst stetig an. Betroffen sind neben den „Ein-Euro-JobberInnen“ vor allem Alleinerziehende oder LeiharbeiterInnen. Nach der international üblichen Definition gilt als arm, wer weniger als 60% des mittleren Einkommens bezieht. Bei Alleinstehenden sind das (laut Bundesregierung!) derzeit 781 Euro netto, bei einer vierköpfigen Familie 1.640 Euro. Aber Achtung: 2005 lag die Armutsgrenze für Alleinstehende in demselben Bericht der Bundesregierung noch bei 938 Euro. Die umfassende Reform der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes, die unter der rot-grünen Bundesregierung unter dem Label Agenda 2010, begonnen wurde, hat die Verarmung vorangetrieben: Hartz IV, die Lockerung des Kündigungsschutzes oder die Einführung der Praxisgebühr sind beispielhafte Maßnahmen für den deutschen Beitrag zur europäischen Lissabon-Strategie, nach der die EU bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Region der Welt“ aufsteigen will – auf Kosten der Menschen und deren Lebensqualität. Dem gegenüber steht ein geringer Anteil derer, die als reich gelten: 7 % der Bevölkerung verdienten mindestens das Doppelte des mittleren Einkommens. Noch drastischer ist die ungleiche Verteilung von vermögen: Das oberste Zehntel vereinte 2002 etwa 56 Prozent aller Vermögen auf sich, die untere Hälfte der Bevölkerung verfügt über nur 2 Prozent des Gesamtvermögens. Ein erheblicher Teil hat dabei nicht nur kein Vermögen, sondern Schulden. Es ist ein Skandal: in einem der reichsten Länder, dem „Exportweltmeister Deutschland“, sind immer mehr Menschen von Armut bedroht, während die Einkommen und Vermögen weniger ansteigen. Leipzig gilt jetzt schon sei langem als sächsische Armutshauptstadt des Freistaates. Neben nahezu 100000 ALG II – Empfängern, welche in Bedarfsgemeinschaften leben und kommen. 6,5 % aller 247.000 sozialversichert beschäftigten LeipzigerInnen waren laut dem örtlichen DGB zum Dezember 2007 Hartz-IV-AufstockerInnen.

Armut ist keine individuelle Unzulänglichkeit oder die Folge kollektiver „Überflüssigkeit“ sozialer Gruppen, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis und Resultat politischer Verantwortungslosigkeit Armut kann und muss politisch bekämpft werden. Die Wirtschaft ist konsequent in den Dienste der Menschen zu stellen, anstatt einseitig auf kapitalistische Profitsteigerung zu setzen. Es braucht ein konsequentes Umsteuern! Dieses beginnt mit einer gerechten Umverteilung des wirtschaftlichen Reichtums, durch höhere Löhne oder die Erhöhung der Regelsätze für Erwerbslose. Andererseits gilt es über neue Modelle der sozialen Existenzsicherung und damit einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel nachzudenken. Vollbeschäftigung im alten Stil ist im modernen Kapitalismus kaum denkbar. Jeder Mensch ist wertvoll und hat das Recht auf ein würdiges Leben. Es ist an der Zeit mutige gesellschaftspolitische Konzepte zu diskutieren, denen ein anderer Begriff von gesellschaftlich notwendiger Arbeit zugrunde liegt, als der gängige „profitable“. Die Menschen selbst müssen Definitionsmacht über die Produktion erlangen, soziale, kulturelle oder ökologische Tätigkeiten gesellschaftlich anerkannt und entlohnt werden.

Wollen wir wirklich etwas erreichen, ist vielfältiger Widerstand unumgänglich. Politische und gewerkschaftliche Akteure sind dabei genauso gefragt wie soziale Initiativen und Netzwerke. Wir selbst, von Armut Betroffene und Bedrohte, prekär Beschäftigte und Erwerblose, sind gefragt aufzustehen, uns zur Wehr zu setzen und zu zusammenzuschließen.

Mit dem 1. Sozialratschlag in Leipzig wollen wir:

- Problemlagen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen und diskutieren - die Vernetzung von sozialpolitisch Engagierten und von Armut Betroffenen vorantreiben - von Armut Betroffenen Raum bieten aus ihrer gesellschaftlichen Isolation zu treten und zum Widerstand gegen eine Politik der Entwürdigung motiviert zu werden - mit einem Forderungskatalog sozialpolitische Vorstellungen von Engagierten und Betroffenen öffentlichkeitswirksam artikulieren