HGG.2020-12

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HGG.Kommentare

Anmerkung zu einer Kontroverse zwischen Georg Quaas und Klaus Müller in Z 124

Klaus Müller wirft Georg Quaas in einer Replik (Z 124) vor, ihn falsch verstanden zu haben – Müllers Thema (Z 123) in Replik auf Thomas Kuczynski (Z 122) sei gewesen, "ob die außerhalb der Warenproduktion erzeugten Produkte – die Produkte eine Subsistenzwirtschaft – Wert besitzen." Quass' Frage (Z 124) nach den Bedingtheiten der Entfaltung einer Warenproduktion (so meine Paraphrase seiner Argumentationsstruktur), so Müller weiter, habe in dessen "Zuschrift zu Kuczynskis Artikel keine Rolle gespielt."

Nun kann man natürlich jede Frage in einen ahistorischen Kontext stellen. Zum historischen Kontext, in den Marx und Engels ihre Werttheorie stellen, gehört aber nun einmal, dass die Produktion der Produktionsbedingungen im Übergang zum Kapitalismus auf eine komplett andere Grundlage gestellt wird, in der Geld als Kapital eine dominante Rolle übernimmt. Dies war dem königlich-polnischen und kurfürstlich-sächsischen Kammer- und Bergrat Hans Carl von Carlowitz vor 250 Jahren Anlass, über eine nachhaltige Bewirtschaftung der nachwachsenden Ressource „Holz“ unter diesen neuen Bedingungen zu raisonnieren und inspirierte Garrett Hardin 1966 zu seiner Tragedy of the Commons, die nur eine konsequente Lösung kennt; die durchgehende Privatisierung jener "Commons". Elinor Ostrom sind viele Studien zu verdanken, dass dies historisch in keiner Weise notwendig ist, sondern andere, über viele Jahrhunderte stabile Reproduktionsformen konkreter Produktionsbedingungen existiert haben. Dass Privatisierung von Infrastruktur kein Allheilmittel ist, dämmert langsam auch den eifrigsten Verfechtern öffentlich-privater Partnerschaften, nachdem ihnen durch Insolvenz der private Partner abhanden gekommen ist.

Nun bewegen sich die Argumentationen von Quaas und Müller nicht auf jener historisch-konkreten, sondern auf der logischen Ebene. Quaas mag dabei wenigsten noch ansatzweise über die Produktion der Produktionsbedingungen, über "Straßen, Brücken und andere Objekte, die vom Staat der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden", reden. Was aber ist die werttheoretische Dimension jener Produktionsbedingungen, was deren Gebrauchswert, ihr Nutzen? Quaas (private Mitteilung) hat darauf eine klare Antwort: "Ihr Nutzen besteht darin, dass wir sie nutzen." Nun ist ein solcher praxis-philosophischer Standpunkt Marx vielleicht näher als der Mehrzahl seiner rezenten Exegeten. Er soll hier aber nicht als gesetzt genommen werden, sondern der logische Argumentationspfad von Marx und Engels in Richtung einer werttheoretischen Würdigung der Produktion der Produktionsbedingungen kurz nachskizziert werden.

"Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ungeheure Warensammlung, die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware" (MEW 23, S. 49). Auf dieser Basis werden in den folgenden Kapiteln des Kapital die Grundlagen der Wertform entfaltet. Die sich aus den Produktionsbedingungen ergebenden Bedingtheiten finden dabei allerdings zunächst ungenügende Berücksichtigung. Wie etwa kann man ein flächiges Produkt (Leinwand) mit einem Längenmaß (Elle) messen? Was wird hier an Standardisierung bereits implizit hineingesteckt? Der "ganze Reichtum" ist in seinem Kern das in typgleichen standardisierten Produkten und in Produktkatalogen zusammengefasste produktive Ergebnis einer industriellen Produktionsweise, ohne die die normierenden Prozesse der Wertbildung, die in den ersten Kapiteln des Kapital entfaltet werden, logisch nicht funktionieren, denn die "Elle Elinwand" bezieht sich mitnichten auf ein Produkt, sondern auf einen Produktkatalogeintrag.

Diese Normierung gilt allerdings nicht für die – parzellierten – Produktionsbedingungen selbst. Diese Fabriken, Industriekomplexe und noch komplexeren Strukturen sind weitgehend Unikate wie in (Gräbe 2020) genauer ausgeführt.

Eine zweite Grundlage der Marxschen Entfaltung der Wertkategorie wird meist übersehen – sie setzt im Kern nicht nur die Produktion typgleicher, standardisierter Produkte voraus, sondern auch den Einsatz typgleicher, standardisierter Arbeiten, wie sie den industriellen Fertigungsprozess ebenfalls prägen. Erst auf einer solchen Basis kann ein Begriff wie "durchschnittlich gesellschaftlich notwendige Arbeit" logisch überhaupt gegründet werden.

Ich denke, bis hierher besteht sicherlich mit Quaas und wahrscheinlich auch mit Müller Konsens. In einer dritten sich aufdrängenden Frage der logischen Fundierung des Marxschen Gedankengebäudes – die allerdings von Marx nicht aufgeworfen wurde – gibt es einen langjährigen Dissens zwischen Quaas und mit: Die Frage, ob die Kategorie Durchschnittsprofit – trotz allen Geredes über "Alleinstellungsmerkmale" – im Kern standardisierte Methoden des Profitmachens logisch zur Voraussetzung hat. Darauf und auf die werttheoretischen Implikationen einer solchen Prämisse werde ich hier aber nicht eingehen.