HGG.2019-02

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HGG.Kommentare

TRIZ und Dialektik

Der Hamburger Gesprächskreis Gesprächskreis Dialektik & Materialismus lud am 1. und 2. Februar 2019 zu einer Diskussion des Themas "TRIZ und Dialektik" ein, das später verkürzt zu "TRIZ & More" wurde, nachdem die Vielzahl anschlussfähiger Themen schier explodierte. Dabei war mit dem 88-jährigen Rainer Thiel auch ein Urgestein der DDR-Erfinderschulszene. Der Anspruch des "TRIZ-Seminars" im Selbstverständnis der Veranstalter liest sich wie folgt:

TRIZ & More meint, mit der Widerspruchsmatrix den historischen, polit-ökonomischen Bezug und Charakter, den Vergleich der Gesellschaftssysteme, die Theorie und Begriffe klären.

Programm

Freitag abend:

  • Vorbemerkungen
    • Der Gesprächskreis und die Kritik der bestehenden Ausgangsbedingungen
    • Praxis der Dialektik & des Materialismus, die politischen Rahmenbedingungen
    • Gesellschaftliche Rahmenbedingung für TRIZ Anwendung in der UdSSR
    • TRIZ als dialektisches Verfahren zum Lösen von Problemen und Gestalten von Innovationen
  • Gesellschaftliche Rahmenbedingung für TRIZ Anwendung in der UdSSR. Proletarische Staatsgewalt. Rahmenbedingung für gesellschaftliche organisierte Produktion, Dr. Gert Meyer, Wirtschaftshistoriker aus Marburg
  • TRIZ und Sozialismus in der DDR. Die Erfinderschulen der DDR. Dr. Rainer Thiel, Bugk bei Storkow

Samstag:

  • TRIZ als schöpferische Erfindungsmethode. Zum philosophiehistorischen Hintergrund sowie der Beziehung zwischen Hegel und Altschuller. Justus Schollmeyer, Berlin
  • Die Methoden der klassischen TRIZ und die Erfahrung zahlreicher Problemlösungen. Die 8 Gesetze des schöpferischen Erfindens, nach Altschuller. Prof. Kai Hiltmann, Coburg
  • Notwendigkeit gesamtgesellschaftlicher Innovation. Thesen einer möglichen Transformation. Dr. Axel Popp, Potsdam

Anmerkungen

Den Einstieg machte Gert Meyer (Marburg) mit einem Vortrag zu den wesentlichen Etappen einer Geschichte der SU, die ich hier nicht rekapituliere. Mit Bezug auf die TRIZ-Thematik fragte Justus Schollmeyer nach, ob in dieser Historiografie ein Wechsel im technikhistorischen Verständnis zu Beginn der 1930er Jahre hin zu einem engeren Technikbegriff zu verzeichnen gewesen sei, wie dies Yevgeny Karasik ("Why was TRIZ born in Baku") und vor allem der Wissenschaftshistoriker Slava Gerovitch im postsowjetischen Diskurs behaupten. Justus führte dies später im eigenen Vortrag weiter aus. Begründet wird diese These mit der Tatsache, dass der freie Diskurs über soziale Widersprüche in den 1930er Jahren durch die Parteistrukturen komplett blockiert wurde und entsprechende öffentliche Äußerungen für die Autoren lebensgefährlich wurden. Entsprechende Schließungstendenzen gab es im Westen schon länger, allerdings aus anderen Gründen. Siehe hierzu etwa G. Lukácz: Die Zerstörung der Vernunft.

Unterbelichtet blieben in Meyer Vortrag einerseits die internationalen Verflechtungen sowjetischer Wissenschaft, insbesondere auch theoretischer Ökonomie, bis wenigstens in die späten 1920er Jahre, sowie andererseits die Neuererbewegung.

Nichts gesagt wurde über die Auswirkungen des Terrors der 1930er Jahre auf die technische Intelligenz, die Ende der 1940er Jahre in der Lage war, ein dem Manhattan-Programm vergleichbares Projekt umzusetzen, in dem die Erkenntnisse des "Atomspions" Klaus Fuchs und die im Nachkriegsdeutschland eingesammelten Spezialisten eine wichtige, aber keineswegs entscheidende Rolle gespielt haben. Immerhin, so Hiltmann in seiner Historiografie Altschullers, habe dessen Lagerhaft 1950-54 zu einer deutlichen Formierung der eigenen Ansätze beigetragen, weil er dort "die gesamte Intelligenzia versammelt angetroffen hätte" und die eigenen Ansätze dort besprechen und ordnen habe können. Die widersprüchliche Situation – etwa um Lyssenko und dessen Gegenspieler in der Biologie – ist nach 1990 literarisch ausführlich aufgearbeitet worden (Dudinzew: Weiße Gewänder). Zu späteren engen internationalen wissenschaftlichen Verflechtungen zwischen Ost und West siehe etwa auch den Wissenschaftshistoriker Hubert Laitko, etwa seinen Text im Sammelband

Anforderungen an eine nachhaltige Wissenschaftsentwicklung. Rohrbacher Manuskripte, Heft 15, Rosa-Luxemburg-Stiftung Leipzig, 2009.

In Meyers Vortrag ausgeklammert, für den TRIZ-Kontext aber wichtig, blieb auch die Neuererbewegung. Hier wäre insbesondere auf die 1932 gegründete Allunionsgesellschaft der Erfinder und Rationalisatoren (WOIR) einzugehen gewesen, eine auch heute noch einflussreiche Massenorganisation, die im deutschen Einzugsbereich von Google allerdings keine Rolle spielt. Siehe dazu aber entsprechende russischsprachige Links:

Ist noch fortzusetzen.

Hans-Gert Gräbe, 03.02.2019