APRIL.Kommentare.HGG.2007-12-15

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Kommentare zu einigen Passagen aus [1]

Wir wollen den Menschen unbegründete Befürchtungen vor einem vermeintlichen "Ausverkauf der Stadt" nehmen. Dieser steht nicht an. Einen solchen Weg schließt die SPD kategorisch aus.

Dies widerspricht der faktischen politischen Diskussion in dieser Stadt. Im letzten Jahr wurden alle großen kommunalen Unternehmen auf ihre Verkaufstauglichkeit hin wiederholt "durch das Dorf getrieben" und auch der Stadtrats-Beschluss vom Nov. 2006 erteilt einen solchen umfassenden Prüfauftrag.

Wir werden aber auch weiter klar sagen, was wir wollen: Leipzig braucht ein starkes lokales Energieunternehmen, das die Chancen auf den Energiemärkten wahrnehmen kann. Für diesen Weg brauchen wir einen strategischen Partner für die Stadtwerke Leipzig.

Dazu muss nicht privatisiert werden. Zusammenarbeit der Stadtwerke mit mehreren (!) strategischen Partnern findet bereits heute auf der Ebene von gemeinsamen Tochterunternehmen der Stadtwerke statt.

Zudem muss Leipzig wieder richtig investieren können. Privatisierungserlöse aus dem Stadtwerke-Anteilsverkauf schaffen hierzu die nötigen Voraussetzungen: Sie ermöglichen Investitionen und erleichtern die Haushaltskonsolidierung.

Eine nachhaltige Investitionspolitik ist nur bei einem nachhaltig ausgeglichenen Haushalt möglich. Die Privatisierung verkleistert die Problemlage, führt zu einer sehr kurzfristigen Entlastung mit langfristig nur nachteiligen Effekten, weil regelmäßige Einnahmequellen zugunsten einer Einmaleinnahme geopfert werden. Die Kuh wird geschlachtet, die bisher gemolken wurde.

Der Verkauf der Stadtwerke-Anteile ist somit richtig. Nur um diesen geht es uns. Damit die Stadt diese Zukunft gestalten kann, sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für ein NEIN beim Bürgerentscheid.

Das ist zum Glück nicht die Meinung aller Leipziger Sozialdemokraten.

Die erfolgte, und auch im Energieprogramm Sachsen 2007 ausdrücklich begrüßte Öffnung der Strommärkte hat zur Folge, dass kommunale Stadtwerke heute nicht mehr durch ein Gebietsmonopol geschützt sind. Sie sind von daher Wettbewerber im Strommarkt wie andere Energieversorgungsunternehmen (EVU) auch. Auf diese Entwicklung wollen wir in Leipzig mit einer strategischen Neuaufstellung der Stadtwerke Leipzig reagieren; und wir wollen dies gemeinsam mit einem strategischen Partner tun.

Die Stadtwerke sind für diese Entwicklungen sehr gut aufgestellt. Synergien - dies hat auch Reinhold Hüls, GF von Veolia Deutschland, am 10.12.2007 in Leipzig unterstrichen - lassen sich nur mit einem starken handlungs- und entscheidungsfähigen kommunalen Partner heben. Mit Blick auf die desolate Situation der Verwaltungsspitze hinsichtlich der Bestimmung von Oberzielen für kommunale Unternehmen, der provisorischen Führung der LVV als Mutterunternehmen der Stadtwerke und der noch nicht einmal begonnenen Umstrukturierung der LVV zu einer Stadt-Holding sind keinerlei Voraussetzungen für ein Zusammengehen mit einem strategischen Partner auf der Ebene der Stadtwerke als Ganzes gegeben - unabhängig davon, ob dies als perspektivisch sinnvoll betrachtet wird oder nicht.

Zugleich ist der deutsche Strommarkt durch die marktbeherrschende Stellung von vier großen EVU geprägt. Der Markteintritt weiterer Marktteilnehmer eröffnet hier die - politisch gewollte - Möglichkeit zu mehr Wettbewerb. ... Ein solcher Markteintritt ist die voraussichtliche Folge der Beteiligung eines strategischen Partners an den Stadtwerken Leipzig - jedenfalls erfüllen drei der vier verbliebenen Bieter dieses Kriterium.

Ein solcher Einstieg wird sicherlich unabhängig vom Anteilsverkauf erfolgen. Die Stadt und die Stadtwerke täten gut daran, nicht auf eines der Pferde zu setzen - es könnte, wie schon zweimal mit RWE erprobt - das falsche sein.

Zugleich möchte ich hier auch darauf verweisen, dass die Erlöse aus dem Anteilsverkauf in Teilen zur Konsolidierung des städtischen Haushaltes eingesetzt werden sollen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 19.10.2006 dem Land Berlin anempfohlen hat, zur Haushaltskonsolidierung Eigentum des Landes bzw. der Stadt Berlin zu veräußern, dürfte sich keine deutsche Kommune mehr inhaltsgleichen Aufforderungen der Kommunalaufsicht entziehen können.

Es kann doch nicht sein, dass die Kommunalaufsicht, statt sich um Bedingungen für ausgeglichene Haushalte als elementare Voraussetzung für kommunale Handlungsfähigkeit zu bemühen, den Kommunen rät, diese Handlungsfähigkeit zu untergraben und die langfristig wirkenden Einnahmemöglichkeiten aus den Gewinnen kommunaler Unternehmen einer kurzfristigen Einmaleinnahme zu opfern. Die Alternative zur Zwangsverwaltung heute - falls eine solche überhaupt droht - ist die Zwangsverwaltung in zehn Jahren, wenn nix mehr zu verkaufen ist.

Zweitens können wir die notwendige Konsolidierung des städtischen Haushalts nicht aus dem laufenden Betrieb erwirtschaften. Finanzielle Hilfen in Größenordnungen von Landes- oder Bundesebene sind nicht zu erwarten. An der, auch vom Bundesverfassungsgericht nahe gelegten Veräußerung von kommunalem Eigentum führt somit kein Weg vorbei. Solche Veräußerungen müssen jedoch kommunalpolitisch sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar sein. Mit dem Verkauf der Stadtwerke-Anteile wollen wir diese beiden Herausforderungen sinnvoll miteinander verbinden.

Haushaltskonsolidierung bedeutet vor allem, zunächste einmal die Gründe für die Misere zu analysieren. Wenn sie aus einem dauerhaften Ungleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben herrührt wie in den meisten deutschen Städten (wie in [2] detailliert ausgeführt), dann kann die Lösung nicht der Verkauf des Tafelsilbers sein, sondern nur die herstellung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben. Ob dabei einer am Rande der Pleite stehenden Kommune Großprojekte wie Citytunnel oder Olympiabewerbung gut zu Gesicht stehen, sei dahingestellt. Es gibt jedenfalls hier mehr als genug Hausaufgaben zu erledigen, ehe man auch nur an einen Verkauf denken sollte.

Quellen

[1] Brief von Gernot Borriss, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Leipzig-Borna an die SPD-Mitglieder vom 11.12.2007

[2] Klaus Jungfer: "Die Stadt in der Krise". Bundeszentrale Politische Bildung. http://www.bpb.de/publikationen/DOSK4M,0,0,Die_Stadt_in_der_Krise.html. Siehe auch APRIL.Materialien

Hans-Gert Gräbe, 15.12.2007