APRIL.Argumente.Schulden

Aus LeipzigWiki
Zur Navigation springenZur Suche springen
"Die Verschuldung der Stadt belastet uns jährlich mit Zinsausgaben von 40 Millionen Euro -- eine gewaltige Summe, mit der aber noch kein Euro getilgt ist! Wir müssen also den Haushalt nachhaltig entschulden. Das ist unverzichtbar, um die Handlungs- und Investitionsfähigkeit der Stadt zurückzugewinnen. Ein Blick auf die Situation unserer Kitas, Schulen, Brücken und Straßen macht das sehr schnell klar. Wir brauchen hier dringend Investitionsmittel, um die zum Teil schlechten Verhältnisse spürbar zu verbessern." [1]

Passend zum zunehmenden Erfolg des Bürgerbegehrens machte die folgende Meldung die Runde durch die Medien, um noch einmal die dramatische Finanzlage der Stadt zu unterstreichen:

50 Mill. minus. Rathauschef rechnet für 2008 mit Haushaltsdefizit. Stellenabbau angedroht. (Quelle: LVZ, 24.10.2007)

Wir erinnern und fragen: Was hat es mit diesen Schulden auf sich, wie sind sie entstanden, wie sind sie zu bewerten, wie ist mit ihnen umzugehen?

Die Rolle von Schulden in dieser Gesellschaft

Schulden sind in dieser Gesellschaft etwas Alltägliches, so lange man sie bedienen kann. Gesamtgesellschaftlich bedeuten sie ein Null-Summen-Spiel, denn jeder Schuld steht eine Forderung in gleicher Höhe gegenüber, jedem Schuldner ein (oder mehrere) Gläubiger. Beschränken wir uns auf Investitions- und Umlaufkredite - um die es bei einer Kommune wie Leipzig einzig geht - so stellt ein Gläubiger dem Schuldner Geld zur Verfügung, welches er gerade selbst nicht benötigt, und ermöglicht dem Schuldner damit ein Projekt zu verwirklichen, welches sonst erst deutlich später hätte in Angriff genommen werden können. Gesamtgesellschaftlich erlauben Kredite also die Konzentration der Wirtschaftskraft auf einzelne Projekte und sind damit besonders dann sinnvoll, wenn damit längerfristige Effekte verbunden sind wie etwa beim privaten Hausbau: Es ist sinnvoller, Häuser eins nach dem anderen zu bauen statt alle gleichzeitig anzufangen und mit keinem zum Ende zu kommen.

Schulden bedeuten zeitweisen Verzicht des Gläubigers, sein Geld in Wirtschaftskraft zum eigenen Nutzen zu verwandeln. Dafür erhält er einen Zins, der für Kaufkraftverlust, Belohnung für den zeitweisen Verzicht und Risikoabschirmung steht. Während die ersten beiden Zinsbestandteile von der allgemeinen Wirtschaftslage abhängen und bei allen Krediten mehr oder weniger gleich sind, schirmt der dritte Bestandteil die Möglichkeit ab, dass der Schuldner insolvent wird und den Kredit nicht zurückzahlen kann. In diesem Fall kann der Gläubiger auf die Kreditsicherheiten durchgreifen, sich diese aneignen und verwerten, um doch noch zu seinem Geld zu kommen. Die Höhe dieses Risikoaufschlags hängt wesentlich von der "Bonität" des Kreditnehmers ab, also von der allgemeinen Einschätzung, wie wahrscheinlich die Zahlungsunfähigkeit ist und auf welche Sicherheiten und Bürgschaften im Insolvenzfall durchgegriffen werden kann. Da öffentliche Körperschaften wie z.B. Kommunen in ein Netzwerk vielfacher Absicherung eingebunden sind und eigentlich nicht bankrott gehen können, ist deren Bonität sehr gut. Bundes- und Kommunalobligationen sind deshalb im Bankgeschäft erstklassige Sicherheiten und zählen zu den wenig risiko- aber damit auch wenig renditeträchtigen Rentenpapieren. Kredite können deshalb von Kommunen zu Spitzenkonditionen aufgenommen werden.

Wie hoch sind die Schulden Leipzigs?

Was bedeutet "Leipzig hat 950 Mill. Euro Schulden" (Quelle: Der Name des Attributs „published</br>in“ enthält das ungültige Zeichen „LF“, das nicht hierfür verwendet werden kann.) und "zahlt jährlich 40 Mill. Euro Zinsen" [1]? Oder ist die Rechnung des Regierungspräsidiums richtig, das von "2.6 Mrd. Euro Gesamtverschuldung, davon 1.6 Mrd. Euro Verbindlichkeiten kommunaler Firmen, 950 Mill. Euro Verbindlichkeiten der Stadt und 50 Mill. Euro Verbindlichkeiten von Eigenbetrieben" (Quelle: LVZ, 25.01.2007) ausgeht, denn man müsse dabei ja auch die Verbindlichkeiten der kommunalen Unternehmen und Beteiligungen hinzurechnen, für die die Kommune ebenfalls gerade stehen muss.

Wie oben ausgeführt, ist die absolute Höhe der Schulden zweitrangig, wenn sie bedient werden können. So hat die Stadt Kassel ebenfalls 900 Mill. Euro Schulden, aber nur halb so viele Einwohner wie Leipzig. Deshalb ist deren Situation noch nicht doppelt so dramatisch wie die Leipzigs.

Weder die Stadt Leipzig noch die großen kommunalen Unternehmen haben akute Probleme mit der Bedienung ihrer Schulden - jedenfalls ist davon trotz regelmäßiger externer Betriebsprüfungen bisher nichts in die Presse durchgesickert.

Für eine detaillierte Einschätzung wäre es also erforderlich, für jedes einzelne Rechtssubjekt zunächst einmal eine Bilanz aufzustellen,

  • welche Schulden aufgenommen wurden,
  • aus welchen Mitteln sie bedient werden,
  • ob die Bedienung der Schulden über die Laufzeit gewährleistet ist,
  • wie sich dies auf die allgemeine Handlungsfähigkeit des Unternehmens auswirkt,
  • mit welchen Leistungen die Schulden besichert sind und
  • ob selbst eigene Darlehen ausgereicht wurden.

Eine solch komplexe Rechnung ist aufwändig, erfordert Zugang zu Detaildaten und kann und soll deshalb hier nicht geführt werden. Jedoch lassen sich die großen Posten und Akteure im Leipziger Stadt-Monopoly von über 70 aktiven kommunalen Unternehmen und Beteiligungen (Quelle: [2], für eine Übersicht siehe APRIL.Beteiligungen) aus öffentlichen Verlautbarungen gut rekonstruieren. Dies ist zunächst die Stadt Leipzig mit ihrem Stadthaushalt, weiter die drei großen Stadtfirmen SWL, KWL und LVB, die 1998 aus dem Eigentum der Stadt in die Stadtholding LVV ausgegliedert wurden, die LVV selbst und schließlich die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft LWB.

Von diesen Firmen steht derzeit nur die anteilige Privatisierung der SWL auf der Tagesordnung, während dies bei LVB und KWL schwierig wäre - weniger wegen der "großen Bedeutung kommunaler Hoheit über die Wasserressourcen" [2] als schlicht aus dem Grund, dass beide Firmen in Cross-Border-Leasing-Geschäfte verwickelt sind und damit die Stadt dort in Teilen bereits nicht mehr Herr im eigenen Hause ist. Die Privatisierung im Wohnungsbestand soll durch Veräußerungen im Zuge einer Reduktion des LWB-Bestands auf einen Kernbereich erreicht werden, der an Rechtsform und Beteiligungen der dann auf einen Kern geschrumpften LWB nichts ändern würde.