APRIL.Argumente.EU-Vorgaben: Unterschied zwischen den Versionen

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Das erste Beispiel ist die [[APRIL.Privatisierung-98 | SWL-Privatisierung 1998]].  Der Zuschlag ging damals an die MEAG - Mitteldeutsche Energieversorgungs AG, den Regionalversorger im Raum Halle. Einige Jahre später wurde die MEAG vom Energieriesen RWE übernommen. RWE hatte sich bereits Anfang der 90er Jahre als "strategischer Partner" angeboten und 40% der "maroden" Leipziger Stadtwerke kaufen wollen. Der damalige OBM Lehmann-Grube favorisierte eine Pachtlösung, um über den Kaufpreis auf Augenhöhe verhandeln zu können. Über diesen kam schließlich keine Einigung zustande. Es folgte einer der spektakulärsten Prozesse einer deutschen Großstadt mit einem Streitwert von 500 Mill. DM, der zwei Jahre dauerte. Am Ende bekam die Stadt das Eigentum an der Stromversorgung mit allen Anlagen und Leitungsnetzen zurück.  Nun also war durch eine Hintertür RWE auf einmal wieder mit im Boot.  Allein einer Entscheidung des Kartellamts ist es zu verdanken, dass Leipzig 2003 seine SWL-Anteile zurückkaufen konnte.
Das erste Beispiel ist die [[APRIL.Privatisierung-98 | SWL-Privatisierung 1998]].  Der Zuschlag ging damals an die MEAG - Mitteldeutsche Energieversorgungs AG, den Regionalversorger im Raum Halle. Einige Jahre später wurde die MEAG vom Energieriesen RWE übernommen. RWE hatte sich bereits Anfang der 90er Jahre als "strategischer Partner" angeboten und 40% der "maroden" Leipziger Stadtwerke kaufen wollen. Der damalige OBM Lehmann-Grube favorisierte eine Pachtlösung, um über den Kaufpreis auf Augenhöhe verhandeln zu können. Über diesen kam schließlich keine Einigung zustande. Es folgte einer der spektakulärsten Prozesse einer deutschen Großstadt mit einem Streitwert von 500 Mill. DM, der zwei Jahre dauerte. Am Ende bekam die Stadt das Eigentum an der Stromversorgung mit allen Anlagen und Leitungsnetzen zurück.  Nun also war durch eine Hintertür RWE auf einmal wieder mit im Boot.  Allein einer Entscheidung des Kartellamts ist es zu verdanken, dass Leipzig 2003 seine SWL-Anteile zurückkaufen konnte.


Das erste Beispiel ist die [[APRIL.Privatisierung-98 | SWL-Privatisierung 1998]]. Der Zuschlag ging damals an die MEAG - Mitteldeutsche Energieversorgungs AG, den Regionalversorger im Raum Halle. Einige Jahre später wurde die MEAG vom Energieriesen RWE übernommen. RWE hatte sich bereits Anfang der 90er Jahre als "strategischer Partner" angeboten und 40% der "maroden" Leipziger Stadtwerke kaufen wollen. Der damalige OBM Lehmann-Grube favorisierte eine Pachtlösung, um über den Kaufpreis auf Augenhöhe verhandeln zu können. Über diesen kam schließlich keine Einigung zustande. Es folgte einer der spektakulärsten Prozesse einer deutschen Großstadt mit einem Streitwert von 500 Mill. DM, der zwei Jahre dauerte. Am Ende bekam die Stadt das Eigentum an der Stromversorgung mit allen Anlagen und Leitungsnetzen zurück.  Nun also war durch eine Hintertür RWE auf einmal wieder mit im Boot.  Allein einer Entscheidung des Kartellamts ist es zu verdanken, dass Leipzig 2003 seine SWL-Anteile zurückkaufen konnte.
Das zweite Beispiel: Der in Leipzig ansässige Gasversorger [[VNG]] - Verbundnetz Gas - wurde Spielball und Verschiebemasse im Zuge eines Deals des Bundeswirtschaftsministeriums, um E.on entgegen der Empfehlung des Bundeskartellamts die Übernahme von Ruhrgas zu ermöglichen. Dabei musste E.on seine VNG-Anteile 2002 an [[EWE]] abgeben, einen 1943 gegründeten regionalen Versorgungsverbund im Weser-Ems-Gebiet, der nach einem kleinen Intermezzo mit E.on seit 2005 wieder zu 100% in kommunaler Hand ist. Obwohl EWE seitdem über 48% an VNG hält und über einen Konsortialvertrag mit weiteren kommunalen Anteilseignern verbunden ist, wurde EWE-Chef Brinker im Frühjahr 2007 als VNG-Aufsichtsratschef zu Gunsten einer Allianz aus der BASF-Tochter Wintershall und Gazprom überraschend ausgebootet. Die Allianz hält zusammen etwa 15% der Anteile an der VNG. Offensichtlich hat auch der Leipziger Vertreter - LVV-Chef Klein - gegen das weitere Engagement von [[EWE]] gestimmt. Leipzig hält an der [[VNG]] über einen Kommunalverbund 5,5% der Anteile.  
 


Das zweite Beispiel: Der in Leipzig ansässige Gasversorger [[VNG]] - Verbundnetz Gas - wurde Spielball und Verschiebemasse im Zuge eines Deals des Bundeswirtschaftsministeriums, um E.on entgegen der Empfehlung des Bundeskartellamts die Übernahme von Ruhrgas zu ermöglichen. Dabei musste E.on seine VNG-Anteile 2002 an [[EWE]] abgeben, einen 1943 gegründeten regionalen Versorgungsverbund im Weser-Ems-Gebiet, der nach einem kleinen Intermezzo mit E.on seit 2005 wieder zu 100% in kommunaler Hand ist. Obwohl EWE seitdem über 48% an VNG hält und über einen Konsortialvertrag mit weiteren kommunalen Anteilseignern verbunden ist, wurde EWE-Chef Brinker im Frühjahr 2007 als VNG-Aufsichtsratschef zu Gunsten einer Allianz aus der BASF-Tochter Wintershall und Gazprom überraschend ausgebootet. Die Allianz hält zusammen etwa 15% der Anteile an der VNG.


* Details zum Deal von 2002: http://udo-leuschner.de/energie-chronik/020701.htm
* Details zum Deal von 2002: http://udo-leuschner.de/energie-chronik/020701.htm

Version vom 3. Oktober 2007, 12:10 Uhr

Rechtliche Vorgaben der EU

Argumente und Hintergründe

Auf dem Rohstoff- und Energiemarkt ist ein sehr zweischneidiger Fusions- und Konzentrationsprozess im Gange, dessen Auswirkungen einem Energiemonopoly gleichen und die Tragfähigkeit jeglicher längerfristiger Vereinbarungen und Absprachen in Frage stellen, was auch Leipzig schon wenigstens zweimal zu spüren bekam.

Das erste Beispiel ist die SWL-Privatisierung 1998. Der Zuschlag ging damals an die MEAG - Mitteldeutsche Energieversorgungs AG, den Regionalversorger im Raum Halle. Einige Jahre später wurde die MEAG vom Energieriesen RWE übernommen. RWE hatte sich bereits Anfang der 90er Jahre als "strategischer Partner" angeboten und 40% der "maroden" Leipziger Stadtwerke kaufen wollen. Der damalige OBM Lehmann-Grube favorisierte eine Pachtlösung, um über den Kaufpreis auf Augenhöhe verhandeln zu können. Über diesen kam schließlich keine Einigung zustande. Es folgte einer der spektakulärsten Prozesse einer deutschen Großstadt mit einem Streitwert von 500 Mill. DM, der zwei Jahre dauerte. Am Ende bekam die Stadt das Eigentum an der Stromversorgung mit allen Anlagen und Leitungsnetzen zurück. Nun also war durch eine Hintertür RWE auf einmal wieder mit im Boot. Allein einer Entscheidung des Kartellamts ist es zu verdanken, dass Leipzig 2003 seine SWL-Anteile zurückkaufen konnte.

Das zweite Beispiel: Der in Leipzig ansässige Gasversorger VNG - Verbundnetz Gas - wurde Spielball und Verschiebemasse im Zuge eines Deals des Bundeswirtschaftsministeriums, um E.on entgegen der Empfehlung des Bundeskartellamts die Übernahme von Ruhrgas zu ermöglichen. Dabei musste E.on seine VNG-Anteile 2002 an EWE abgeben, einen 1943 gegründeten regionalen Versorgungsverbund im Weser-Ems-Gebiet, der nach einem kleinen Intermezzo mit E.on seit 2005 wieder zu 100% in kommunaler Hand ist. Obwohl EWE seitdem über 48% an VNG hält und über einen Konsortialvertrag mit weiteren kommunalen Anteilseignern verbunden ist, wurde EWE-Chef Brinker im Frühjahr 2007 als VNG-Aufsichtsratschef zu Gunsten einer Allianz aus der BASF-Tochter Wintershall und Gazprom überraschend ausgebootet. Die Allianz hält zusammen etwa 15% der Anteile an der VNG. Offensichtlich hat auch der Leipziger Vertreter - LVV-Chef Klein - gegen das weitere Engagement von EWE gestimmt. Leipzig hält an der VNG über einen Kommunalverbund 5,5% der Anteile.


Auf EU-Ebene werden diese Konzentrationsprozesse mit gemischten Gefühlen verfolgt.

  • "Die europäischen Energiekonzerne sollen nach dem Willen der EU-Kommission entweder ihre Netze verkaufen oder sie einem unabhängigen Verwalter überlassen. Das geht aus einem Entwurf eines Gesetzesvorschlags für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt hervor, den die Brüsseler Behörde am Mittwoch vorstellen wird." Quelle: http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2007-09/artikel-9049146.asp

Die EU-Kommission möchte durch zwei Optionen im Netzbereich, die sich ownership unbundling und ISO (independent system operator) nennen, eine Trennung zwischen Energieerzeugern und Netzbetreibern erreichen und damit für mehr Wettbewerb sorgen. Dagegen legen sich vor allem Deutschland und Frankreich mit einem Modell quer, welches sich "Anreizregulierung" nennt.

Die Netzbetreiber sollen dabei zu einem "effizienten" Netzbetrieb angehalten werden. Sie dürfen nur noch bestimmte Kosten geltend machen, und ihnen wird eine Erlösobergrenze vorgegeben. Maßstab für den Netzbetrieb sollen die effizientesten Netzbetreiber sein. Wer seine Leitungen unwirtschaftlicher handhabt, zahlt drauf, da er nicht alle Kosten geltend machen darf. Wer effizienter als die Behördenvorgabe wirtschaftet, darf auch die Überschüsse bei den Kunden abrechnen. Dieses Vorgehen soll Anreize für sinkende Netzgebühren schaffen. Das eröffnet finanzstarken Anbietern die Möglichkeit zu zeitweisem Preis-Dumping, was zu weiteren Konzentrationsprozessen auf dem Netzmarkt führen wird. Dies kann nicht im Interesse der Kommunen sein, da nach der Konsolidierungsphase dauerhafte Monopolpreise drohen.

In einer solchen Perspektive spielen Energieversorger wie die Stadtwerke Leipzig in ihrer heutigen Größe eine wichtige Rolle, während mit dem Einstieg eines der großen Energiekonzerne die reale Gefahr besteht, dass die Stadtwerke zur Verschiebemasse im zu erwartenden Energie-Monopoly werden.

Unsere Fragen

  • Wie soll dem Wettbewerb, den die EU - übrigens gegen den Widerstand der großen Energiekonzerne - "klar will", standgehalten werden, wenn die Eigenständigkeit der Stadtwerke ausgerechnet durch einen Teilverkauf an einen der großen Konzerne eingeschränkt wird, die ihre marktbeherrschende Stellung behaupten und ausbauen wollen?