WAK:2007-01-22

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Was bedeutet "neue Marx-Lektüre?"
mit Ingo Elbe (Bochum)
Veranstaltung des AK Kritische Theorie beim StuRa der Uni Leipzig.
22. Januar 2007, 19:00 Uhr, GWZ Beethovenstraße 15, Raum 5.0.15.

Ankündigung

Die "neue Marx-Lektüre" entstand Mitte der 1960er Jahre vornehmlich in der Bundesrepublik. Das Verständnis der Marxschen Wert-, Staats- und Revolutionstheorie wurde in den folgenden Jahrzehnten von ihr gründlich auf den Kopf gestellt. Welche Aspekte dabei im Marxschen Werk neu entdeckt wurden und wie diese Entdeckungen in die Geschichte der Marxismen einzuordnen sind, soll ebenso Thema des Vortrags sein, wie das Erbe des traditionellen und westlichen Marxismus, das in der neuen Lesart oft noch unbewusst mitgeschleppt wird.

Zur Person: Ingo Elbe promoviert zum Thema "Die neue Marx-Lektüre in der Bundesrepublik seit 1965".

Zuletzt veröffentlicht:

  • Holloways 'Open Marxism'. Formanalyse als Handlungstheorie und Revolutionsromantik. In: Z, Sept. 2006;
  • Zwischen Marx, Marxismus und Marxismen. Lesarten der Marxschen Theorie. In: Hoff/ Petrioli/ Stützle/ Wolf, Das Kapital neu lesen, Münster 2006.
  • Warenform, Medienform, Denkform. Die fatale Aktualität Feuerbachs. In: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung, NF 2006.


Berichte und Kommentare

Hans-Gert Gräbe, 25.01.2007:

Dies ist eigentlich kein Bericht, sondern ein Nachtrag zur Diskussion von einem Teilnehmer, der seinen eigenen Weg zur "neuen Marxlektüre" sucht und findet, dies aber auf dem abweichenden Hintergrund eines Informatikers und Naturwissenschaftlers. Als "bekennender Dilettant" kann ich zum einen die Freude an der Kritik des Dilletierens - vermeintlich oder wirklich unterkomplexer Argumentationen anderer - nur sehr begrenzt teilen, die im Vortrag selbst noch verhalten, in der Diskussion aber dann um so offener zu Tage trat. Sie hat mich an die berühmte Geschichte vom Splitter und Balken im Auge erinnert, und führt direkt zu weitgehender Diskursunfähigkeit, denn diese Art von Ehrgeiz oder Sport hat nicht wirklich etwas mit Diskurs zu tun.

Zum zweiten war es sicher wichtig, die Genese der "neuen Marxlektüre" darzustellen; jedoch kam - selbst aus der Perspektive eines Dilettanten erkennbar - wirklich nur die Hauptlinie einer letztlich an der Wertproblematik orientierten Richtung zur Sprache. Dass die volle "Ahnenreihe" - wenigstens in diesem Teil Deutschlands - irgendwann einmal Marx/Engels/Lenin/Stalin hieß und diese in den letzten 50 Jahren Schritt für Schritt von hinten her bröckelte, wurde nicht thematisiert. Sicher auch aus Zeitgründen, aber es ist für mich schon ein Unterschied, ob "neue Marxlektüre" bedeutet, andere Schwerpunkte in einer komplexen Materie zu setzen oder schlicht deren stufenweise Verballhornung zurückzunehmen. An diesem Abend spielte allein das Verhältnis Marx/Engels eine Rolle, das sehr fundiert auch in dem geschmähten Buch (Holloway 2004) auseinandergenommen wird.

Damit kommen wir natürlich zur zentralen Frage der "neuen Marxlektüre": Soll sich diese auf eine Rekonstruktion des "authentischen Marx" beschränken oder hat Marx selbst "verballhornt"? Seriöse Ansätze werden sich hüten, letzteres nicht anzunehmen, und das war auch die Position des Referenten. Dann wäre aber schon der Blick zu weiten und - in einem wertkritischen Kontext - etwa Werner Sombart zu berücksichtigen oder auch die theoretische Begleitforschung der Akteure der NÖS der DDR der 60er Jahre, von denen sich einige ja in den 90ern noch deutlich zu Wort gemeldet haben - etwa Peter Ruben. Es ist sicher davon auszugehen, dass zu jener Zeit auch in diesen Kreisen eine "neue Marxlektüre" stattgefunden und ihre Spuren hinterlassen hat, auch wenn das Auffinden dieser Bruchstücke in den Trümmern der DDR-Gesellschaftswissenschaften einige Mühe erfordert.

Dass eine fundierte Werttheorie ohne die Aufnahme liberaler Theorie-Ansätze nicht zu haben ist, ja vielleicht einige Ungereimtheiten bei Marx wie die bekannte Frage der Wert-Preis-Transformation erst in diesem Kontext wirklich aufgelöst werden können, wird ebenfalls sehr heftig diskutiert und kann bis zur Kontroverse zwischen Marx und Stirner in der "Deutschen Ideologie" zurückverfolgt werden, wie von Kurt Fleming bei WAK-Leipzig vor zwei Monaten detailliert dargestellt. Einer entsprechenden Frage meinerseits nach Grenzen und Weiterentwicklung der Wertform - für mich auf dem Hintergrund von (Holloway 2004) und (Gorz 2004) eine arge Lücke in der Argumentation selbst - begegneten Referent und Moderator weitgehend mit Unverständnis. Sie war an dem Abend wohl auch fehl am Platze. Meine nächste Frage wäre die nach dem Singular ("die Wertform") gewesen.

  • John Holloway (2004): Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen. Verlag Westfälisches Dampfboot.
  • Andre Gorz (2004): Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie. Rotpunktverlag. http://www.coforum.de/?2733