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Im Leipziger Amtsblatt, 13.10.2007 wird gefragt: Welche Folgen hat die Teilprivatisierung für die mittelständischen Betriebe und deren Arbeitsplätze? Werden Aufträge künftig verstärkt außerhalb der Region vergeben?

OBM Jung antwortet: Nein, an der Vergabepraxis der Vergangenheit - 70 Prozent der Aufträge blieben in der Region - wird sich nichts ändern. Der Vertrag sieht vor, den Partner auf vielfältige Weise zur Stärkung der Region Leipzig zu verpflichten. Auch die Zulässigkeit von Auftragsvergaben innerhalb der städtischen Holding LVV wird durch den Anteilsverkauf nicht beeinflusst. Noch einmal ganz deutlich: Der Anteilsverkauf ist ein Mittelstandsprogramm. Er ermöglicht neben dem Schuldenabbau die dringend nötige Sanierung von Schulen, Kindergärten und Straßen, bringt also direkt Aufträge für die kleineren Unternehmen Leipzigs und der Region, also auch neue Arbeitsplätze.

Argumente und Hintergründe

Die Frage nach den unmittelbaren Auswirkungen einer Teilprivatisierung sind nur sehr schwer zu beantworten, weil sich damit Rahmenbedingungen kommunalen Handelns grundsätzlich ändern. Kommunen haben die Möglichkeit, öffentliche Dienstleistungen selbst oder durch nachgeordnete Einrichtungen erbringen zu lassen (Direktvergabe) oder aber diese öffentlich auszuschreiben. Während die Privatisierungsbefürworter in der Leipziger CDU und FDP mit pauschalen Positionen wie "Private sind immer die besseren Unternehmer" und "bei Privaten sinken die Preise" ((Quelle: LVZ, 16.10.2007) grundsätzlich für die zweite Variante plädieren, sieht die Praxis deutlich vielfältiger aus.

Insbesondere mit Blick auf die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten (etwa Wegfall der Mehrwertsteuer) sind kommunale Dienstleistungen trotz Tarifbindung der Versorgungsfirmen für die Bürger oft deutlich billiger als vergleichbare Leistungen. So hat etwa die Stadt Bergkamen Mitte 2006 die Müllentsorgung rekommunalisiert. Trotz einer Grundinvestition von 1,6 Mill. Euro in Fahrzeuge und Logistik konnten die Abfallgebühren dabei um 30% gesenkt werden. (Quelle: Spiegel, 24/2007, S. 48 ff.) Die Stadt spart dadurch 300.000 Euro gegenüber dem bisherigen Privatunternehmen. Dies ist vergleichbar mit den Strategie-Optionen eines Konzerns, einzelne Geschäftsfelder auszulagern und durch externe Dienstleister erbringen zu lassen (Outsourcing) oder aber diese im Zuge des Produkt- und Kompetenzportfolios im eigenen Unternehmensverbund zu erbringen.

Die Lage ändert sich mit dem Einstieg eines privaten Partners, denn dann ist eine Direktvergabe nicht mehr möglich. Stadtrat Engelmann (Linke) wies noch einmal auf diese in der bisherigen öffentlichen Argumentation weitgehend unberücksichtigte Seite des SWL-Anteilsverkaufs hin. Dann sind alle Stromversorgungs- und Dienstleistungsverträge, die die SWL ohne öffentliche Ausschreibung mit kommunalen Partnern abgeschlossen haben - ein Geschäftsvolumen von mindestens 1,3 Mill. Euro -, zu kündigen und öffentlich auszuschreiben. Dass es dabei billiger wird, ist eher unwahrscheinlich, allein weil die steuerlichen Privilegien von In-House-Geschäften wegfallen. Eine entsprechende Anfrage der Fraktion an die Stadtverwaltung wurde ausweichend und ohne belastbare quantitative Informationen beantwortet. Die LVV-Geschäftsführung habe der Stadtverwaltung sogar nahe gelegt, die Anfrage ganz unbeantwortet zu lassen, und weist darauf hin, dass die Neuausschreibungen bereits laufen. Die "wirtschaftlichen Nachteile für die SWL bewegten sich in einer im Vergleich zum gesamten Verkaufsprozess vertretbaren Größenordnung". (Quelle: LVZ, 17.10.2007)

Es sind also sehr viel umfassendere Folgen zu berücksichtigen als in der Antwort von OBM Jung angedeutet. Hinzu kommt die unübersichtliche Situation auf der europarechtlichen Bühne, auf der ein Tauziehen über zukünftige kommunale Gestaltungsspielräume in dieser Frage stattfindet, siehe etwa die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft zum Thema "Ausschreibung oder Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungen", http://goew.de/pdf/c.1.8.goew.pdf. Dort heißt es insbesondere

Vom Ausschreibungswettbewerb ausgenommen werden diese Dienstleistungen lediglich dann, wenn ... die Gebietskörperschaft die Erbringung einer von ihr gesonderten juristischen Person, z.B. einem eigenen Unternehmen, überträgt, über die sie eine Kontrolle ausübt wie über eigene Dienststellen, wobei diese juristische Person die Dienstleistung im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft erbringen muss. Mit dieser zweiten – als „Inhouse“ bezeichneten – Ausnahme stützt sich die Kommission auf das Teckal-Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 18. November 1999, das in jüngster Zeit durch eine Reihe weiterer EuGH-Urteile ... bestätigt und in Richtung einer noch stärkeren Einschränkung des Spielraums für die Befreiung von der Ausschreibungspflicht weiterentwickelt wurde. Dies gilt im Besonderen für gemischtwirtschaftliche Unternehmen, für die der EuGH im Urteil „Stadt Halle“ die Möglichkeit einer Kontrolle wie über eigene Dienststellen selbst im Falle geringster privater Beteiligung verneint hat.

Eine Kommune wie Leipzig vergibt sich also mit der direkten Beteiligung privater Partner an zentralen Unternehmen der Daseinsvorsorge leichtfertig Handlungsspielräume, zumal sich die positiven Effekte einer solchen direkten Beteiligung für die lokale Wirtschaft oft erfolgreicher durch andere Beteiligungsformen erschließen lassen. Dies beweist nicht zuletzt die unendliche Geschichte um den Leoliner, siehe http://conrad05.ewerk.com/lfb/sites/lfb/live/index.php?page=7