KritischerSalon.2010-01-08

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Kritischer Salon ...

... am 08.01.2010 um 19:30 Uhr im triXom, Dufourstraße 15 (linkes Gebäude, im Keller)

  • Thema: Die Finanz- und Geldwirtschaft - Ideen und Ausblicke. Das Für und Wider von diskutierten Alternativen am Beispiel der Zeitgeistbewegung
  • Einführung in das Thema: David Große, Leipzig

Ankündigung

Als eine erste "öffentliche Veranstaltung" des kritischen Salons biete ich am Freitag, dem 8. Januar einen Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema "Ressourcenbasierte Ökonomie - moderne Planwirtschaft oder realistischer Ansatz einer alternativen Ökonomie?" an. Ich habe dazu ich einen etwa 15-minütigen Vortrag mit Beamer vorbereitet. Ich beziehe mich dabei auf den ökonomischen Ansatz, den die Zeitgeist-Bewegung bisher erarbeitet hat.

David Große, 31.12.2009

Weitere Links:

Bericht I

  • "Angeregte, kulturvolle Diskussion mit z.T. begrifflichen Schwierigkeiten wie im Erstsemester ... Wärme kam von innen (Kaffee) und einwenig aus der Diskussion. Konnte aber das Defizit der Heizung nicht kompensieren." --RedTeddy 17:21, 9. Jan. 2010 (CET)

Dann doch mal der Versuch eines etwas stärker an inhaltlichen Aspekten orientierten Berichts. David Große stellte eingangs die Zeitgeistbewegung und dabei insbesondere das Venus-Projekt vor, das davon ausgeht, dass Menschen auf dem heutigen Stand der Technik alle grundlegenden Bedürfnisse befriedigen können, wenn sie ihre eigene produktive Umgebung nur überlegt genug organisieren. Wichtige Aspekte sind Nachhaltigkeit, Energie- und Stoff-Autarkie, Zero Emission Konzepte und vieles mehr. Die entsprechenden Ansätze - im Kern wird das beim Venusprojekt bei bereits oberflächlicher Betrachtung deutlich - tragen sehr konstruktivistische Züge einer Gestaltung der uns umgebenden Lebensbedingungen nach dem "richtigen" Plan, mit dem die bekannten Defizite der Industriegesellschaft vermieden werden sollen, die uns in die gegenwärtige fundamentale Menschheitskrise manövriert haben.

Dies rief bereits heftige Kontroversen auf den Plan, da ein solcher Ansatz in Gestalt des "Sozialismus im 21. Jahrhundert" von Heinz Dieterich bzw. Arno Peters' "Computersozialismus" schon mehrfach in Leipziger Diskussionen auf dem Tisch lag und als unterkomplex kritisiert wurde. Dies muss hier nicht wiederholt werden (Suche nach "Dieterich" in diesem Wiki fördert genügend Treffer zu Tage, siehe nicht zuletzt die Veranstaltung WAK.2009-10-14 mit Heinz Dieterich selbst). Eine wohltuend komplexe Kritik eines solchen "mechanistisch-deterministischen" Ansatzes findet sich im Potsdamer Manifest (Suche nach "Potsdamer" in diesem Wiki), welches dem das Konzept eines "geistig-lebendigen Kossmos" gegenüberstellt mit der zentralen Frage "Was bindet?" statt "Was ist?".

Besondere Diskussion löste die Teilthese von David Große aus, dass mit diesen Zeitgeist-Ansätzen auch Markt, Tausch und Geld ihre Schuldigkeit getan haben und als historische Phänomene überwunden werden können. Hier ging es - mit Blick auf meine letzten Aufsätze http://www.hg-graebe.de/EigeneTexte nicht überraschend - schnell zur Frage, welche funktionale Bedeutung diese Kategorien für das Prozessieren von Widersprüchen in der heutigen Gesellschaft haben und wie gegebenenfalls dieselben Konflikte anders zu lösen seien. Wir kamen dabei nicht sehr weit. Ob dies allerdings wirklich "begrifflichen Schwierigkeiten wie im Erstsemester" geschuldet war, sei dahingestellt.

Spannend und die Debatte fortsetzend kann der Vortrag am 28.01.2010 zum Thema Open Design werden, greift er doch noch einmal dieselbe Idee der gemeinsamen Gestaltung der eigenen Lebensbedigungen auf, allerdings aus einer deutlich anderen, dezentraleren Perspektive.

Hans-Gert Gräbe, 12.01.2010

Bericht II

Entgegen der Betrachtungsmöglichkeit nach "Bericht" bleibt festzustellen, daß es keinen begrifflichen Konsens (Erstsemesterproblem) gegeben hat, weil die Teilnehmer politisch nicht herkunftsgleich oder homogen richtungsorientiert sind und deswegen an einer begrifflich-inhaltlichen "Einigung" nicht unbedingt interessiert sind.. Bis hin zu apolitischen Auffassungen zu politischen Themen differenziert sich natürlich auch die Definitionsebene nur eines gemeinten Begriffs, wie bspw. "Markt". Außerdem kann und sollte nicht davon ausgegangen werden, daß grundsätzlich alle Teilnehmer einer zeit- und gesellschaftskritischen Diskussionsrunde nach dem gleichen Duktus, insbesondere nach der gleichen Lektüre verfahren. Insbesondere (daher ausdrückliche Zustimmung zu diesem Teil des Berichts I) kann "Gerechtigkeit" nicht als alleiniges, geschweige denn "richtiges" Handlungs- und Denkprinzip den gesellschaftlichen Wandlungsprozess beeinflussen. Die Auseinandersetzung quer zu den politisch verhärteten Fronten ist gerade jenes Grundelement einer vielfältig diskutierenden Gruppe.

Es ist m.E. gerade spannend, die Kontroverse zu pflegen und so über die konfliktorientierte Auseinandersetzung die eigenen Einsichten maßvoll zu regulieren. Insofern ist der Referent nicht automatisch als Vertreter der Zeitgeist-Disziplin in ihrer (internationalen) Struktur mißzuverstehen, sonderen stellt lediglich den bis dahin nur Wenigen bekannten Tatsachenhintergrund zur Verfügung. Von einer aussichtsreichen Perspektive der auf das Venus-Projekt zugeschnittenen Zeitgeistbewegung kann ohnehin solange keine Rede sein, bis die Wissenschaft sich nicht nur als pharaonisches Instrument des Fortschritts versteht. Über die plebiszitäre Teilhabe hatten wir kaum Gelegenheit zu sprechen und es ist fraglich, ob diese überhaupt unter den Bedingungen allerhöchsten Spezialwissens möglich ist. So konnte in der Debatte herausgestellt werden, daß just das Vertrauenselement (u.a. Luhmanns "Reduktion von Komplexität") eher als eine störende Funktion wahrgenommen wird, die praktische gemeinpartizipative Prozesse behindern könnte. Mithin stellte sich auch darin heraus, daß die Wahl von regionalen oder kommunalen Vertretern nicht gleich einen Einfluß auf die Politik darstellt. Vielmehr wurde Politik als regulierendes/nicht-regulierendes Instrument heiß diskutiert und es konnte keine Einigung darüber erzielt werden, ob sie unter den gegenwärtigen Bedingungen überhaupt zu einer Zähmung oder Beförderung wirtschaftlicher Prozesse beizutragen imstande ist.

Ingo Groepler-Roeser

Bericht III

Hier die drei Thesen, die David zwecks einem vereinfachten Einblick in die Zeitgeistbewegung gemacht hat:

erste These: Allgemein praktizierte Marktprinzipien hindern es, im Überfluss vorhandene Resourcen dem einzelnen zugänglich zu machen. Der Markt, den die moderne Marktwirtschaft praktisch hervorbringt, hat keinen realwirtschaftlichen Hintergrund; Elemente, mit denen der Markt handelt sind in aller Regel künstliche, und damit überflüssig. Nach einer kurzen Meinungssammlung der Anwesenden, wie denn ein Markt zu definieren sei, kamen wir zu dem Entschluss, dass "der Markt" nicht die Ursache für die Knappheit von Gütern sein kann. In der Praxis beobachten wir viel häufiger, wie bspw. staatliche Interventionen Marktverhältnisse verfälschen und künstliche Knappheit erzeugen können.

zweite These: eine ressourcenbasierte Ökonomie ist keine Planwirtschaft.

Eine Planwirtschaft hat nach wie vor eine Regierung und einen Staatsapparat; eine ressourcenbasierte Ökonomie funktioniert staatenlos. Das ist zumindest das theoretische Gebilde.

dritte These: Technologie ist die Lösung aller menschlichen Probleme

Fragt man, welche Errungenschaften das Leben in der heutigen Gesellschaft im Verhältnis zu früheren Gesellschaften wirklich qualitativ erhöhen, so muss man zweifelsohne und traurigerweise feststellen, dass es technologische Entwicklungen sind. Von Transportmitteln über Kleidung bis zu den modernen Kommunikationsmethoden ist es nahezu ausschließlich Technologie, die die moderne Gesellschaft von älteren unterscheidet.

Ein Kommentar zu Hans-Gerts Bemerkung, dass die Anhänger der Zeitgeistbewegung die transformierte Gesellschaft auf einer "richtigen" Basis aufbauen wollen: Im Gegensatz zu aktuellen Methoden wie der neoliberalen Ideologie, linken Gedankenguts oder gar konstruktivistisch/dogmatischen Ansätzen besinnt sich die ZG-Bewegung auf ein Konzept, welches sie "wissenschaftlichen Ansatz" nennen. Dieser Ansatz geht (ich hoffe, ich gebe das hier jetzt nicht zu frei interpretiert wieder) von einem agnostisch/skeptischen Weltbild aus, bei dem nur die wenigen, nicht weiter evaluierbaren Gewissheiten als Basis für die Planung von dem, was ist, genommen werden. (Eine Art des Pragmatismus). Erstaunlicherweise kommen wir aber zu der Erkenntnis, dass selbst das nur durch "Skepsis" Erarbeitete ausreicht, um die Grundzüge der Gesellschaft, wenn wir sie auf eben diese "wissenschaftliche" Basis setzen, um diese tiefgreifenden Änderungen und Verbesserungen für alle durchzusetzen.