APRIL.Argumente.Maerchen.KorneliaRichter

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Fortsetzung des Mitmachmärchens

Autorin: Kornelia Richter, 18.01.2008

Die Frau wollte bei diesem skurrilen Vorschlag ihres Mannes erstmal ganz ruhig bleiben und steuerte deshalb zielgerichtet auf das Wohnzimmer zu, um Luft zu holen und sich gemütlich auf dem Sofa niederzulassen. Aber wie von der Tarantel gestochen sprang sie nun auf, als ihr Blick auf den Wohnzimmertisch fiel, auf dem sich Berge von Berechnungen, Tabellen und Prospekten türmten, gespickt mit Kuli und Rechner. Als sie dann noch in das unschuldig vor Stolz und Begeisterung glühende Gesicht ihres Mannes sah, konnte sie sich nicht mehr beherrschen. Das war einfach zuviel für sie. „ Ich gehe den ganzen Tag auf Arbeit und habe schon dort genug Wahnsinn um die Ohren. Und nun geht der Wahnsinn auch noch zu Hause weiter.“ - schimpfte sie leise vor sich hin, während sie die Papiere hin und her wendete. Aber bevor die Bombe richtig platzte, konnte sie nicht umhin, ihrem Mann noch die scheinheilige Frage zu stellen, ob er etwa den ganzen Tag damit zugebracht hätte, den Verkauf ihres Autos von allen Seiten zu beleuchten und ob er etwa schon irgendwas zugesagt hätte. Schon etwas vorsichtiger geworden begann der Mann nun zu stottern: „ Also das ist wirklich ein gutes Geschäft, was wir da machen könnten. Ich habe ausgerechnet, dass wir von dem Geld alles tipptopp malern lassen und außerdem noch 3000 € mit 5% Zinsen und Sonderbonus anlegen könnten.“ „ Und das bei der feinen Vermögensberaterin, die uns dann auch noch kräftig über den Tisch ziehen kann! Na Gratulation.“ – schrie die Frau nun wutentbrannt. „Was kriegst du denn von ihr dafür? Von mir kriegst du jedenfalls einen ordentlichen Tritt für soviel Blödheit und deine Frechheit, über mein Auto, unser einzigstes Kapital zum Geldverdienen, zu verfügen und damit sinnlos rumzuspekulieren .“

„ Aber ich wollte doch nur helfen, damit wir aus der Geldmisere rauskommen!“ – verteidigte sich der Mann nun lahm. „ Aber siehst du denn nicht, dass das alles ein absoluter Schwindel ist? Dazu brauche ich keine Berechnungen, um zu sehen, dass das saubere Autohaus genauso wie die liebe Finanzberaterin sich nur auf unsere Kosten gesundstoßen wollen? Hast du denn schon jemals von dem Wunder gehört, dass in der Marktwirtschaft irgendein Unternehmen aus Liebe zum Kunden auf fette Gewinne verzichtet und sogar noch Geschenke macht? In welcher Welt lebst du nur, dass du diesen Ammenmärchen noch immer glaubst?“ Kopfschüttelnd versuchte sich die Frau zu beruhigen und setzte sich nun wieder auf das Sofa. Dann fuhr sie fort: „Wenn wir aus dem Desaster rauswollen, müssen wir entweder die Einnahmen solide erhöhen oder die Ausgaben massiv senken. Die Einnahmen aber können wir nur erhöhen, wenn ich entweder wesentlich mehr Geld verdiene oder du endlich einen ordentlichen Job findest. Beides ist sehr unwahrscheinlich, ja geradezu utopisch. Wir könnten natürlich auch einen Lottogewinn einfahren oder eine Erbschaft machen. Hast du mir vielleicht eine reiche Erbtante verschwiegen?“ – fragte sie nun verschmitzt grinsend. Da musste auch der Mann lachen, obwohl beiden nicht zum Lachen zumute war. „Bleibt also nur noch die Ausgabensenkung.“ – spann die Frau den Faden weiter. „ Unsere Ausgaben werden aber nicht fallen, sondern steigen, denn auch die Preise für die alltäglichen Sachen steigen unaufhörlich, selbst wenn wir nur noch Schnäppchen kaufen würden. Aber selbst die gibt es nicht mehr zum Billigpreis. Außerdem ist mein Auto auch schon nicht mehr neu. Neben Reparaturen wird auch das Ansparen für ein neues Auto auf uns zukommen. Die Leute, meine Kunden, und auch wir selber haben aber immer weniger Geld. Selbst mit den besten Überredungskünsten kann ich die Leute nicht mehr zum Kaufen animieren. Wir müssen also langfristig bei der Kleidung, bei den Hobbies und am Essen sparen. Aber das Verhängnis wird sich wohl nicht aufhalten lassen. Ob es dann noch Zweck hat, über die Renovierung des Wohnzimmers nachzudenken? Vielleicht sollten wir stattdessen anfangen, darüber nachzudenken, ob unsere Wohnung Hartz IV – gerecht ist?“ Resigniert und zutiefst erschöpft erhob sich jetzt die Frau und ließ sich traurig von ihrem Mann in die Küche führen. Beide bemühten sich, ihren Kindern ein unbeschwertes Gesicht zu zeigen und sich nur noch auf die Vorbereitung des Abendessens zu konzentrieren. Für heute sollten alle Gedanken an die bevorstehende bittere Zukunft aus der Küche verbannt werden.

In der Nacht aber träumte die Frau, dass die wunderschöne grüne Oase, in der sie mit ihrer Familie glücklich lebte, ganz plötzlich von riesigen heranrollenden Sanddünen erstickt wurde. Sie umklammerte im Todeskampf ihre Kinder, konnte aber nichts dagegen tun, dass der Sand überall eindrang und ihnen die letzte Luft nahm. Im Todeskampf schreckte sie schließlich zu Tode erschrocken aus diesem Albtraum hoch und wusste im selben Moment mit eindeutiger Klarheit, was das Schicksal der Marktwirtschaft für sie und ihre Familie bereithielt.


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