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Thema: Texte zur aktuellen Politik

Thema eröffnet von: IGR aus Leipzig am 20.03.08 20:15 Uhr

Hierunter sollten Texte zur aktuell-politischen Lage eingetragen werden

IGR aus Leipzig zum Thema: Die SPD feiert - Fünf Jahre Ag 20.03.08 20:18 Uhr

Die Hartz- Gesetze: Ein Instrument für den sozialen Ausnahmezustand?

Von René Nitschke

Ein Gesetz das vorgibt, die negativen menschlichen und gesellschaftlichen Folgen der Massenarbeitslosigkeit abzubauen, sich tatsächlich aber sehr weitgehend an fiskalische und parteipolitische Interessen ausrichtet und kaum existenzsichernde Erwerbsarbeit neu schafft und auch das vorhandene Arbeitsvolumen nicht umverteilt, richtet sich gegen die volkswirtschaftliche Vernunft und gegen die Würde des Menschen. Die politische Klasse insgesamt (mehr als 90% der Bundestagsabgeordneten haben den Hartz - Gesetzen zugestimmt) verliert dadurch ihre Glaubwürdigkeit.

Denn: Jedes andere Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland entsteht unter Mitwirkung von Interessenvertretern bzw. Verbandsfunktionären.(1) Für die Erwerbslosen fehlte diese Interessenvertretung in Parlament und Öffentlichkeit generell. Es wurde eine Arbeitslosengesetzgebung aus dem Boden gestampft, von Menschen die noch nie einen Tag arbeitslos waren, maßgeblich beeinflußt von unternehmensnahen Interessengruppen, wie der Bertelsmannstiftung, deren angebliche Gemeinwohlorientierung blanke Demagogie ist.(2) Die Hartz Gesetze entstanden ohne jede Beteiligung von Erwerbslosenverbände oder sozialen Bewegungen.

Es besteht also ein deutliches Demokratiedefizit, welches dann ganz praktisch ein Verwaltungsproblem wird, weil die empirisch-sozialwissenschaftlichen Fakten und Erkenntnisse sowie die Lebenserfahrungen der von Erwerbsarbeit ausgeschlossenen Menschen ignoriert wurden.

Wie heute immer deutlicher wird, war die Gestaltung der Hartz-Gesetze einseitig orientiert auf folgende Ziele:

  • Bereinigung der Arbeitslosenstatistik durch Veränderung der Berechnungsgrundlagen. Millionen gelten statistisch nicht als arbeitslos(3), obwohl sie faktisch arbeitslos sind.
  • Schwächung der Gewerkschaften. Laut dem britischen Wirtschaftsmagazin The Economist habe Hartz IV "bewirkt, dass viele Beschäftigte die Folgen eines Arbeitsplatzverlustes stärker fürchten. Dies hat die Position der Firmen bei neuen Lohnverhandlungen gestärkt und die Macht der Gewerkschaften geschwächt"(4)
  • Einschüchterung und Disziplinierung von abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen gleichermaßen mit dem Ziel der flächendeckenden und branchenübergreifenden Reallohnsenkung. (z.B. Ein-Euro-Jobber: Diese haben keinen Arbeitsvertrag und kein Beschäftigungsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne und erhalten kein Arbeitsentgelt und werden doch nicht als arbeitslos in der Statistik geführt(5)) Angst wird so zum gesellschaftlichen Steuerungsinstrument.
  • Kürzung der finanziellen Mittel für Langzeitarbeitslosigkeit, keine Ansprüche auf Qualifikation und Weiterbildung für Hartz-IV Opfer.

Jedoch sind das keine legitimen Ziele von Politik. Wenn dies demokratisch legitimierte und volkswirtschaftlich vernünftige Ziele von Sozial - und Wirtschaftspolitik sein sollten, dann waren Pinochet und der Schah von Persien aufrechte Demokraten und wahre Menschenfreunde.

Anmerkungen:

(1) Hans Herbert von Arnim (Speyer): Staat ohne Diener, Der Staat sind wir, etc., sowie "Wählen wir unsere Abgeordneten unmittelbar?" in: JZ 12/2002, S. 578

(2) Albrecht Müller: "Bertelsmannstiftungen und ihre Verflechtungen" auf http://www.nachdenkseiten.de

(3) FAZ, 12.03.2008, Nr. 61 / Seite 12

(4) Albrecht Müller: Machtwahn. Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet. Droemer, 2006, S. 143 f.

(5) Bertram Zwanziger R. a. BAG: Rechtliche Rahmenbedingungen für "Ein-Euro-Jobs", in: Arbeit und Recht 1/2005. Veröffentlicht: 19. März 2008 (Berliner Umschau: http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=19032008ArtikelKommentarNitschke1)

IGR aus Leipzig zum Thema: PE AG ASG Leipzig 20.03.08 20:23 Uhr

Presseerklärung 09/2007 der LAG ASG Sachsen - Die Linke. 18.03.2008

Arbeitskreis soziale Gerechtigkeit (ASG) – DIE LINKE. Sachsen (Meurer, Groepler-Roeser)
Arbeitskreis soziale Gerechtigkeit (ASG) – DIE LINKE. Leipzig (Rambow)

Sozialdemokraten und Linke in Leipzig im Paralleluniversum?

Zur geplanten Erhöhung der Kita-Gebühren durch den Stadtrat Leipzig erklären die Sprecher des landesweiten Arbeitskreises soziale Gerechtigkeit (ASG) – DIE LINKE. Sachsen, Maximilian Meurer und Ingo Groepler-Roeser sowie der Sprecher der Stadtinitiative ASG-DIE LINKE., Timm Rambow gemeinsam:

Es mutet abenteuerlich an, wenn ausgerechnet Sozialdemokraten und Linke in Leipzig die Erhöhung der Kita-Beiträge befürworten. Dies nicht nur vor dem Hintergrund betrachtet, dass der CDU-Vertreter im Stadtrat das Einfrieren der Beiträge fordern, die „bereits im oberen zulässigen Bereich" (so Achminow, CDU) für die Eltern liegen, „erfordert schon mehr als ein Hobbyfernglas, um den Stern zu finden, auf dem sich sozialdemokratische Politiker und leider auch linke Stadträte in Leipzig gerade befinden", sagte Maximilian Meurer dazu.

Die Linke fordert seit Jahren eine kostenfreie Kinderbetreuung auf allen politischen Ebenen. Dies steht nicht nur mit den steigenden Kosten der Kitas, sondern auch mit den kontinuierlich fallenden Löhnen im ganzen Land im Zusammenhang, die Gewerkschaften und Linke mit tragfähigen Mindestlohnkonzepten bekämpfen.

Von der Linken, die sich seit vielen Jahren für eine kostenfreie Kita-Betreuung einsetzt, erwarten wir gerade im Osten dieser Bundesrepublik ein handfestes politisches Engagement gegen den Sozialabbau. Kommunale Politik ist für die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere für jene mit geringem Einkommen, direkt spürbar. „Als Linker bin ich enttäuscht über so viel Realitätsferne", äußerte sich Timm Rambow.

„Wir fordern die Mitglieder der demokratischen Parteien auf, in der nächsten Leipziger Stadtratssitzung gegen die geplante Erhöhung zu stimmen und damit ein Zeichen dafür zu setzen, dass bürgernahe Politik in die richtige Richtung wirkt und die CDU-Bekenntnisse nur vorübergehenden wahltaktischen Erwägungen folgen", sagte Ingo Groepler-Roeser.

Die aufmerksamen Sozialpolitiker aller Leipziger Parteien und Fraktionen sollten an dieser Stelle intervenieren und ihre Fraktionen davon überzeugen, daß eine gute soziale Politik nur dann möglich ist, wenn man sich von den bevorzugten Wirtschaftsinteressen löst und eine Politik von Menschen für Menschen gestaltet. Die aber kann und darf sich nicht weiter einem Haushaltsdruck beugen, der durch eine grundsätzlich falsche Finanz- und Steuerpolitik der Bundesregierung entstanden ist.

Dr. Maximilian Meurer
ASG-DIE LINKE. Sachsen

Timm Rambow
ASG-DIE LINKE. Leipzig

Leipzig, d. 18.3.2008


Die in Leipzig hart bekämpfte Position der ASG ist inzwischen auch offizielle Politik der Bundesspitze der Linken: "Argument des Tages - KITA-Gebühren abschaffen statt erhöhen" heißt die Überschrift einer Argumentationshilfe aus dem Wahlquartier der Linken vom 24.08.2009

So übrigens auch Familienministerin von der Leyen sowie ein Antrag der Linken im Bundestag (u.a. von MdB Höll) bereits im Jahre 2006: