Benutzer:WolfgangSchallehn

Aus LeipzigWiki
Zur Navigation springenZur Suche springen

„Offene Fragen der Linken“ – wie weiter?

Von Wolfgang Schallehn, Leipzig

Die vor dem Programmkonvent im ND veröffentliche Serie von Beiträgen hat bei mir und in meinem persönlichen Umfeld sehr unterschiedliche Eindrücke und Reaktionen hervorgerufen. Wurden die eigentlich wichtigen offenen Fragen in den Beiträgen deutlich genug angesprochen? So: Warum ist die Linke in der gegenwärtigen Krise eher Verlierer als Gewinner? Was für Zielzustände strebt die Linke in näherer und fernerer Zukunft an? Was kann und muss getan werden, um diese Zielzustände zu erreichen? Wer kann und soll „das tun“? Wie müssen wir uns ändern?

Bei allem Respekt für die Autoren der Offenen Fragen: in dieser Hinsicht leisten sie wenig. Die eigentlich wichtigen offenen Fragen wurden in keinem(!) der Beiträge deutlich angesprochen.[A] Diese Aussage muss so klar formuliert sein, um im Sinne der nachfolgend vorgeschlagenen Methode bewertbar zu sein – und als Ausgangspunkt für eine konstruktive Diskussion geeignet zu sein. Womit gesagt sein soll: Es geht hier nicht um eine Kritik an den Autoren der Offenen Fragen, die gewiss ihr Bestes geleistet haben. Es geht vielmehr um die grundsätzliche Frage, auf welche Weise die anstehenden Probleme gelöst werden können.

Denn die gegenwärtige Situation verlangt dringend nach Antworten. Gewiss, die Lage ist höchst komplex. Schmalspur-Antworten schaden eher. Wir werden mit unfertigen Antworten „arbeiten“ müssen… Natürlich steht bei jeder Antwort eine Frage im Hintergrund – aber vom vordergründigen Ausbreiten „offener Fragen“ haben wir mehr als genug. Und der Programmkonvent hat erstmal nur betont, dass noch viel Arbeit geleistet werden muss.

Wir – viele meiner Freunde und ich – meinen, dass die Methode WAS-WANN- WER -WIE zu klareren Antworten führen kann.


Die Methode „WAS-WANN- WER -WIE“

Das WAS ist Sache der Experten zu den vielen Problemkreisen. Das WER und WANN sei den Politikern anheim gelegt. Aber hinsichtlich des WIE haben augenscheinlich sowohl die Experten wie die Politiker einige „Entwicklungspotentiale“ (zarte Umschreibung für alles, was vordem als Mangel oder Defizit bezeichnet wurde!). Das also ist Gegenstand des Folgenden.

Zur Lösung philosophischer Probleme hatte der gute alte Descartes eine „Methode“ definiert. Deren vier Stufen waren Grundlage der „Aufklärung“ und sind bis heute unstrittig. In leicht modernisierter Kurzform lauten sie:

  • (1) Keine Voraussetzung ungeprüft hinnehmen.
  • (2) Das komplexe Problem in handliche Einzelprobleme zerlegen.
  • (3) Die Einzelprobleme lösen.
  • (4) Die Lösungen der Einzelprobleme zur Lösung des Gesamtproblems zusammensetzen.

In Mathematik und Technik ist dieses Vorgehen selbstverständlich. Kein Mensch redet darüber. Für politische Probleme scheint die Anwendung zunächst nicht so naheliegend. Bei näherer Betrachtung liefert sie jedoch durchaus hilfreiche Anregungen und AHA-Effekte – und eine zielführende Perspektive. Jedenfalls besteht jedes politische Problem aus einer Vielfalt von Einzel-problemen, die einerseits für sich und andererseits im Zusammenhang relevant sind – genau das soll die klare Strukturierung zu bewältigen helfen.


Versachlichung = Entpersonalisierung

Zunächst ist aber noch eine ganz andere Blickrichtung relevant. Die Bindung des heutigen Politikgeschäftes an „Führungspersönlichkeiten“ ist arg überzogen. Schon in früheren Zeiten waren erfolgreiche Politiker in erster Linie charismatische Moderatoren. Ich denke da an Moses, Perikles und einzelne Herrscher, die den Zusatz „Der Große“ erhielten. Eigentlich auch an Tito und Fidel Castro. Sobald jedoch eine „Basta-Herrschaft“ praktiziert wurde, ging es abwärts.

Eigentlich ist völlig unstrittig, dass jede Einzelperson von der Gesamtheit der Probleme generell überfordert ist. Das gilt umso mehr für „linke“ Führungspersönlichkeiten: sie haben weniger Ressourcen und mehr Gegenwind. Der gegenwärtige Zustand ist doch geradezu tragisch. Da droht jede sachliche Meinungsverschiedenheit zum persönlichen Konflikt hochgespielt zu werden. Und Wichtiges wird ignoriert, weil es von der „falschen Person“ kommt. Und niemand kommt ganz ohne „Berater“ aus – aber gar zu oft heißt es: „Da wurden sie leider falsch beraten!“. Die Folgerung lautet: Eine zukunftsfähige Diskussionskultur wird weitgehend „entpersonalisiert“ sein.[B]

Beim Zusammenfügen der vielen „Körnchen Weisheit“ wird der eine mehr leisten als der andere. Grundidee ist, dass charismatische Persönlichkeiten gerade bei den heutigen Problemen und mit den heutigen Mitteln hervorragend als Moderatoren wirken können. Auch wenn es leider keinen Maßstab gibt, nach dem jeder Beitrag gerecht honoriert wird. Ob die Zeit der „Ichlinge“ schon vorbei ist (Opaschowski), scheint mir fraglich. Aber auf jeden Fall braucht unsere Zukunft die „Intelligenz der Vielen“ für die Bewältigung der anstehenden inhaltlichen Probleme.


Das Leben mit unfertigen Antworten

Man hätte ja gern „fertige Antworten“. Aber solche sind a priori verdächtig: zu einseitig, zu kurzsichtig, zu ideologisch. Wir müssen unausweichlich mit unfertigen Antworten leben.[C] Das hat aber nur Perspektive, wenn diese Antworten „bewertbar“ sind. Das wiederum verlangt erstens einen relevanten Inhalt und zweitens eine klare Formulierung. Genau das kann für eine breite Palette von Problemkreisen realisiert werden.


Schritte auf dem Weg

  • 1. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Hier könnte der erste Schritt sein, dass von den Autoren „unfertiger Antworten“ eine klare Strukturierung verlangt(!!) wird. Die Kernaussagen sollen klar formuliert und deutlich hervorgehoben werden.[D] Richtig: gerade so wie die hier kursiv gesetzten und mit A…H gekennzeichneten Sätze. Alles Übrige an Begründungen und Erörterungen bildet dazu den Hintergrund. Für Positionspapiere wie die „Offenen Fragen“ könnten etwa 5…10 solche Kernaussagen repräsentativ sein, ebenso für die Abschnitte des Parteiprogrammes. Diese eindeutig zu formulieren erfordert ein gutes Stück Arbeit. Eine solche generelle Orientierung könnte schon einiges in Richtung „Politikfähigkeit“ bewirken.
  • 2. Diese Kernaussagen ziehen Aufmerksamkeit auf sich und provozieren Bewertungen durch die Leser. Der zweite Schritt sollte also sein, dass diese Bewertungen systematisch erfasst werden. Die Bewertungen der Kernaussagen sollen online oder per Miniformular eingereicht werden können.[E] Für die Bewertungen reicht gewiss eine 5-Werte-Skala aus, Kurzfassung: (1) völlig einverstanden, (2) akzeptabel, (3) keine Aussage, (4)diskutabel, (5) völlig abgelehnt.

Übrigens: Diese Bewertung soll „lesebegleitend“ möglich sein. Für die Zukunft ist also eine komfortable internetbasierte Lösung anzustreben – leider noch nicht verfügbar. Aber der entscheidende Qualitätssprung ist schon in der Papierform erreichbar.

  • 3. Alle Bewertungen sind naturgemäß mit abwägenden „Hintergedanken“ verbunden. Davon wird der größte Teil schon aus Zeitgründen „heruntergeschluckt“. Aber: Alle wichtigen Diskussionen zu den Kernaussagen sollen eingereicht und öffentlich dokumentiert werden.[F] Auch das wird in der Papierform möglich, aber erst internetbasiert komplett sein.
  • 4. Hauptintention des qualifizierten Konsens ist, dass durch die Bewertungen und Diskussionen ein mehrheitlich getragener Konsens herausgearbeitet wird.[G] Das wird nicht immer und erst recht nicht im ersten Anlauf gelingen. Mit der Auswertung von Bewertungen und Diskussion beginnt die zweite verantwortungsvolle Arbeit. Erstens sollen missdeutbare Kernaussagen präzisiert werden. Zweitens sollen „überladene“ Kernaussagen (also solche, die eigentlich mehrere unterschiedlich bewertbare Anteile enthalten) aufgeteilt werden. Derart korrigierte Aussagen werden erneut zur Diskussion gestellt. Gleichzeitig soll klar herausgestellt werden, worin echter Dissens besteht.[H] Diesbezüglich ist zu klären, ob die Widersprüche durch Zuordnung zu verschiedenen Geltungsbereichen oder zu unterschiedlichen Zeithorizonten aufzulösen sind. Die dann noch offenen Widersprüche „aushaltbar“ zu vermitteln bleibt eine Herausforderung an die Moderatoren…

Perspektive Solch qualifizierter Konsens eröffnet eine neue basisdemokratische Politkultur. Dazu gehören zwar noch einige Erörterungen und Vereinbarungen, die bald folgen sollen. Hier zur Einführung die Methode auf die Kernaussagen [A]…[H] angewendet – also auf die Methode selbst. Und schon warten einige Dutzend oder auch Hunderte Problemkreise darauf, mit dem „qualifizierten Konsens“ einer Lösung näher gebracht zu werden!

Liebe Leser des LeipzigWiki!

Der obige Text ist eigentlich eine Aufforderung an alle Autoren politischer Texte. Sie sollen gefälligst ihre Kernaussagen deutlich herausheben und zu Bewertung und Diskussion stellen. Ich kann und will nicht die Diskussionsgrundlage für die o.g. Hunderte Problemkreise liefern. Dafür werden sich hoffentlich kompetente Experten finden. Ich verspreche mir davon einen deutlichen Qualitätssprung für alle künftigen Sachdiskussionen!

Natürlich würde es mich freuen, von Lesern des LeipzigWiki Bewertungen zu den obigen Aussagen und ggf. Kommentare per eMail an Schallehn (at) t-online.de zu erhalten. Ich habe mir fest vorgenommen, den Einsendern bis 15.1.2011 eine Zusammenstellung aller auswertbaren Zuschriften zuzusenden.


Meine Bewertungen (1…5) zu den obigen Aussagen: A: … B: … C: … D: … E: … F: … G: … H: …

Absender(Name Vorname PLZ Ort Straße):

…………………. ……………… ………… ………………… ……………………..